Vom Meister und seinen Schülern

Das Ensemble Camerata Köln spielt im Historischen Sommersaal des Bach-Archivs

Es ist ja durchaus nichts Ungewöhnliches, dass Schüler großer Meister oft im Schatten derselben stehen und daraus erst relativ spät, wenn überhaupt, heraustreten können. Von daher erscheint es als kluger Ansatz, wenn die Camerata Köln für das Programm ihres Gastspiels im Historischen Sommersaal des Bosehauses im Rahmen der Reihe „Bach und seine Schüler“ auf eine direkte Gegenüberstellung des großen Thomaskantors mit seinen Söhnen und Schülern (fast) verzichtete und letzteren die Gelegenheit gab, einmal für sich selbst genommen und gehört zu werden. Neben Bachs sogenanntem Lieblingsschüler Johann Ludwig Krebs waren das auch Johann Gottfried Müthel und natürlich die Bach-Söhne Johann Christoph Friedrich, Carl Philipp Emanuel und Wilhelm Friedemann. Die Camerata Köln gehört zu den Alte-Musik-Aktivisten der ersten Stunde und versprach also kompetente Behandlung dieses mitunter wohl auch undankbaren Repertoires.

Die eingangs musizierte Sonata A-Dur für Flöte, Violine und Basso continuo von C.P.E. Bach ließ daran auch keinen Zweifel aufkommen. Stilsicher und mit ausgezeichnetem Zusammenspiel kosteten die Musiker Vorhalte und harmonische Überraschungen aus, durchwanderten mit einfühlsamem Spiel den Farbenreichtum und die klagenden melodischen Verschraubungen des zweiten Satzes und luden im Vivace geradezu zum Tanze ein. Diese lebendige, gefällige und dennoch anspruchsvolle Musik bildete seinerzeit den Ausgangspunkt für eine neue musikalische Epoche und am Mittwoch die Klammer um das Konzert, welches mit einer weiteren Trio-Sonate des „preußischen Bachs“ zu Ende ging.

Dazwischen herrschte allerdings nicht nur eitle Freude. Die Sonate C-Dur für obligates Cembalo und Violine von Johann Ludwig Krebs ist eine verkappte Suite und wirkt über weite Strecken eher redundant und schulmeisterlich. Eben wie ein ordentliches Gesellenstück, aber nicht mehr. Gleichwohl gab sich Sabine Lier redlich Mühe, alle Nuancen hervorzuholen und fand vor allem im derb-volkstümlichen Charakter etwa der Burlesca oder Polonaise die musikalische Eigenart des „einzigen Krebses im Bache“. Trotzdem wirkte auch dies vielleicht gerade wegen der disziplinierten, technisch souveränen Spielweise der Geigerin etwas zu kontrolliert und blutarm, sodass der Eindruck der harmlos-flachen Komposition nicht verscheucht werden konnte.

Deutlich emotionaler und frischer, allerdings auch mit deutlich mehr Verlusten ging anschließend Rainer Zipperling an die Aufführung der Cello-Sonate von Johann Christoph Friedrich Bach. Auch dieses Stück gibt leider nicht allzu viel her und begnügt sich mit auf Dauer ermüdender Virtuosität.

Als nach der Pause die Stücke wieder besser wurden, zeigte sich gleichzeitig die Rolle von Karl Kaiser als spiritus rector des Ensembles. War er mit von der Partie, entstanden sofort Farben und großer Atem. Jetzt verschwand jeder Eindruck der Sprödigkeit und des Akademischen, und zwar bei allen Mitwirkenden!

Wie dieser Flötist mit der Freiheit kadenzierender Passagen traumwandlerisch umzugehen weiß und seine Kollegen in seiner Musikalität einfach mitnimmt, bereitet dem Zuhörer ebensolche Freude wie die unaufdringliche Lebendigkeit seines Tons. Die sehr schöne Flöten-Sonate in e-Moll des ältesten Bach-Sohnes Wilhelm Friedemann bot ihm dafür nicht zuletzt eine perfekte Spielwiese, ließ ihn beispielsweise aus dem zweiten Satz weit mehr als ein Siciliano machen und insgesamt sowohl die Eigenheiten als auch die unter allen Söhnen vielleicht größte geistige und stilistische Nähe zum Vater herausarbeiten.

Johann Gottfried Müthels Cembalo-Sonate beendete den Reigen der solistischen Sonaten. Das Unkonventionelle und Phantasierende an dieser Musik lässt deutlich den alten Bach als Lehrer und Förderer erkennen, obgleich sich diese Musik auch schon merklich in Richtung Galanter Stil orientiert. Sabine Bauer widmete sich ihr, wenn auch nicht ganz schlackenlos, so doch mit viel Expressivität und Spielfreude.

Nach allem kam in der Zugabe schließlich auch der Meister persönlich noch zu Wort und bedankte sich, dass man so zahlreich bei ihm im Bacharchiv erschienen war und seinen begabten Schülern gern gelauscht hatte.

Camerata Köln

Karl Kaiser, Traversflöte
Sabine Lier, Violine
Rainer Zipperling, Violoncello
Sabine Bauer, Cembalo

Mittwoch, 26. März 2003, Bacharchiv Leipzig – Historischer Sommersaal im Bosehaus

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