Zugespachtelte Erzählungen

Vernissage in der Galerie Erata mit „Narragrammen” von Kati Küstner

Kati Küstners „Narragramme“ wollen erzählen. Vom Trixter zum Beispiel, einer Schelmenfigur der nordamerikanischen Indianer, dargestellt in einem fünfteiligen, großformatigen Tafelbild. In einer anderen Bilderserie setzt sich die Künstlerin mit Grimm’schen Märchen und Geschlechterbeziehungen in der Kinderliteratur auseinander („Aber Großmutter, was hast du für ein entsetzlich großes Maul!“) Der dritte Zyklus, der in der Galerie Erata zu sehen ist, entstand zu Olivier Messiaens „La nativité du Seigneur“ (Die Geburt des Herren), 9 Meditationen für Orgel. Er ist am abstraktesten gehalten von allen drei Bilderzyklen.

Ihnen gemeinsam ist die Technik: Hier wird die Acrylfarbe kraftvoll auf den Untergrund gespachtelt, die dabei entstehenden Strukturen erinnern teilweise an Gewebe oder Teppiche. Die Farben sind erdig, rot, orange, gelb und braun – „typisch weibliche Farben“, wie Viktor Kalinke, Leiter der Galerie Erata und der gleichnamigen Edition, in seiner Eröffnungsrede ironisch meint. Wobei die „Narragramme“ von Kati Küstner weit davon entfernt seien, hübsch und feminin zu sein. Sie stellten vielmehr eine intellektuelle Auseinandersetzung mit den Stoffen dar.

Wenn man die Bilder der Künstlerin betrachtet, muss man die erzählerischen Elemente allerdings erst einmal suchen. Vor allem in dem großflächigen, fünfteiligen Trixtergemälde herrschen organisch geformte Farbflächen vor, die von aneinandergereihten Strichen, die an Zäune erinnern, strukturiert werden. Diese Strukturelemente tauchen auch beim Messiaen-Zyklus auf: Im Bild „Das Wort“ scheint das Wort Gottes geradezu eingezäunt zu sein. Figürliche und gegenständliche Elemente sind eher an den Rand gedrängt, die Figuren wirken abstrahiert, kantig und ein wenig widerborstig. Das liegt natürlich auch an dem gespachtelten Farbauftrag. Dennoch wird man den Eindruck nicht los, dass die „Narragramme“ ihrem Namen nicht ganz gerecht werden und zu wenig erzählen, dabei jedoch mehr ins Ornamentale verfallen.

Der Märchenzyklus, herangetreten, sich mit Geschlechterrollen auseinander zu setzen, ist figürlicher gehalten. Die zaunartigen Elemente können hier durchaus als das Maul der Großmutter interpretiert werden. Mädchen mit störrisch abstehenden Zöpfen wandern über Baumstümpfe, oder sind es die Zähne der Großmutter oder eines anderen Ungeheuers? Auch hier wirkt die Künstlerin unentschieden zwischen Abstraktion und erzählerischem, gegenständlich erkennbarem Gestus.

Doch was sagt die Künstlerin selbst dazu? In dem Grimm’schen Zyklus möchte sie thematisieren, „was kann ich weitergeben, was nicht? Was hat mir meine Großmutter weitergegeben?“. Eine etwas allgemeine Aussage. Konkreter wird sie bei der faszinierenden Figur des Trixters. Zur Einstimmung las sie mehrere Erzählungen über diese indianische Narrenfigur vor. Trixter ist nicht nur ein Wandler zwischen den Welten, ein Schöpfer und Zerstörer, er wandelt auch zwischen den Geschlechtern und wird von Tieren und Menschen geschwängert. Genügend Stoff also, um vielleicht ein wenig konkreter und weniger zugespachtelt zu erzählen. Eine intellektuelle Auseinandersetzung schließt das ja nicht aus.

Kati Küstner: Narragramme

Ausstellung bis zum 06.06.2003, Galerie Erata, Kantstr. 61 a

Mehr über die eigenwillige Galerie Erata und die gleichnamige Edition, die Bücher in den Bereichen Kunst, Belletristik, Geistes- und Sozialwissenschaften herausgibt, erfahren Sie unter www.erata.de oder telefonisch unter 0341 / 301143-0


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