Nette Unterhaltung, aber kein Spektakel

Das Vokalfestival: Die Londoner a-Capella Band The Swingle Singers präsentiert „Vokaljazz von Bach bis zu den Beatles”

Wo viel Licht ist, da findet sich bekanntlich auch immer Schatten. Besonders, wenn das Licht des großen Namens so hell strahlt wie im Fall der Swingle Singers, die sich am Samstagabend im Rahmen des vierten „a-capella-Festivals für Vokalmusik“ in der Peterskirche die Ehre gaben. Ob man davon allerdings begeistert oder eher enttäuscht nach Hause ging, das hing ganz von den Erwartungen ab, mit denen man gekommen war.

Auf der Habenseite stehen eine bemerkenswerte Klangkultur, die auch noch in den leisesten Regionen Präsenz und Substanz aufzuweisen vermag, zum Teil großartige Arrangements aus der Feder des Gründers Ward Swingle oder einer seiner Nachfolger sowie die virtuose Beherrschung der Stimme samt allerlei klanglicher Effekte, die ein ums andere Mal vergessen lassen, dass weder Saxophon noch Schlagzeug oder Klarinette auf der Bühne sind, sondern ausschließlich acht junge Vokalisten, die nicht nur ihr Handwerk beherrschen, sondern auch die Show dazu liefern.

Dennoch kann einen bisweilen das Gefühl beschleichen, dass ein bisschen weniger Show und dafür etwas mehr Akkuratesse im Herangehen an einige der Titel dem Ergebnis besser getan hätte. Zumal der Beginn eigentlich dem Gründungsrepertoire gewidmet ist. Während die e-moll-Fuge zum Einsingen und die Badinerie als Bonbon serviert werden, findet mit dem auf die Einleitungssätze gestutzten Concerto grosso von Corelli und einem höchst ratlos zurücklassenden Chopin-Arrangement bereits der Abgesang auf ein Repertoire statt, das diese Gruppe einst berühmt gemacht hatte und nunmehr nichts weiter als die Bedeutung eines Feigenblattes zu haben scheint, das die Bezeichnung „Crossover-Ensemble“ rechtfertigen soll.

Denn was folgt, ist eine lose Mischung verschiedenster Jazz- und Popsongs von Miles Davis oder Duke Ellington über den amerikanischen Musical-Componisten Sondheim bis zu den Beatles, in den Zugaben auch Filmmusik, die für sich gesehen durchaus zu gefallen wissen und immer wieder auch das Komödiantische bedienen, insgesamt aber zuviel Gleichmaß bieten. Wenn dann auch noch streckenweise die intonatorische und stimmliche Souveränität dermaßen verloren zu gehen droht, wie beispielsweise in Mandel’s „A Time for Love“ oder einigen der Lennon/McCartney-Titel, dann lehnt man sich zurück und denkt sich bestenfalls, dass die berühmte Gruppe nur einen schlechten Tag erwischt hat. Entschädigt wird man wiederum mit wunderbar stimmungsvoll arrangierten und hervorragend gesungenen Programmpunkten wie „What Are You Doing the Rest of Your Life“ oder das bewegend von den Frauenstimmen intonierte Spiritual „Amazing Grace“. In „Joshua Fought the Battle of Jericho“ stellen die Akteure unter Beweis, dass sie sehr wohl äußerst schwierige Harmonik sicher und gekonnt durchwandeln und mit schwungvoll-mitreißenden Rhythmen zu einem beeindruckend homogenen und kompakten Ensembleklang verbinden können. In den Soli wissen allerdings die Frauen fast den ganzen Abend hindurch stimmlich mehr zu überzeugen als ihre männlichen Kollegen.

Wenn das Programm schließlich mit „The Girl from Ipanema“ oder „Soul Bossa Nova“ dem Ende entgegengeht und schon zuvor mit dem Beatles-Song „Drive my Car“ fast ein bisschen Klamauk aufgekommen ist, bleibt allerdings die Frage, warum das Publikum bei einem Konzert dieser Art die ganzen zwei Stunden über so merkwürdig regungslos auf den Stühlen verharrt, von dem einen oder anderen verstohlen wippenden Fuß mal abgesehen.

Einen gefällig-unterhaltsamen Abend verbringt man wohl auf diese, ein grandioses Spektakel jedoch mit Sicherheit auf andere Weise.

A capella – IV. Festival für Vokalmusik

The Swingle Singers – „Vokaljazz von Bach bis zu den Beatles“

10. Mai 2003, Peterskirche

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