Joe Orton \’Seid nett zu Mr. Sloane\‘, Premiere (René Granzow)

21. Mai 2003 Schauspiel Leipzig

Joe Orton ‚Seid nett zu Mr. Sloane‘ (Premiere)

Mr. SloaneTorben Kessler
Kathrin Jana Bauke
EdMartin Reik
KempThomas Dehler (für den erkrankten Olaf Burmeister)

RegieUlrich Hüni
Bühne und Kostüme Diana Pähler
DramaturgieSonja Bachmann

Foto: Rolf Arnold


Wehe dem, der nicht nett ist zu Mr. Sloane
Unmoralisch Lachen mit Joe Orton

?Sex-Thriller? und ?Der Strichjunge vom Bahnhof Zoo als Abendunterhaltung der Wohlstandsgesellschaft?, so titulierten einst deutsche Zeitungen eine Aufführung von Joe Ortons Bühnen-Werk Seid nett zu Mr. Sloane. Mit seinem bereits 1964 in London uraufgeführten Werk stellte der junge englische Autor Orton damals die Welt und ihre Moral auf den Kopf und provozierte damit einen prächtigen Skandal. So schrieb er etwa unter verschiedenen Decknamen Briefe an Zeitungen, in denen er ?dieses Übelkeit erregende Werk? beschimpfte. Heutzutage allerdings wird die thematisierte Heuchelei einer mittelständischen Gesellschaft und der zur Schau gestellte Sexismus den durch das Fernsehen und Internet aufgeklärten Zuschauer nicht mehr in Aufruhr bringen.

Das wusste wohl auch Regisseur Ulrich Hüni, der zusammen mit Dramaturgin Sonja Bachmann das Stück fürs Horch und Guck bearbeitet und dabei weniger den Tiefsinn als vielmehr das Boulevardhafte und die Komik des Werkes in den Vordergrund gestellt hat.

Worum geht es nun?
Der junge, gutaussehende Mr. Sloane (hervorragend und frech in Szene gesetzt von Torben Kessler) mietet sich ein Zimmer in der heruntergekommenen Wohnung des alten Kemp und seiner auch nicht mehr allzu jungen Tochter Kathrin. Dem ewig grinsenden und schmierigen Sloane gelingt es mit viel Charme, sich Kathrin unterwürfig zu machen. Sie nimmt sich des (wie dieser vorgibt) im Heim aufgewachsenen Burschen an und merkt in ihrer Naivität nicht – auch nicht als sie ein Kind von Sloane erwartet -, wie abhängig sie von ihm ist.

Gleichsam ergeht es Ed, dem Bruder von Kathrin. Er, der angeblich so viel Wert auf Moral legt und stets darauf bedacht ist, dass die Leute nichts über ihn zu tratschen haben, ist anfangs gar nicht begeistert, dass dieser Sloane sich bei seiner Familie einnisten möchte. Doch als Ed das Potential dieses ?Allround-Typen? (Sloane) entdeckt, ist auch er ganz angetan von diesem jungen Mann. Sloane wiederum bemerkt recht schnell die sexuelle Neigung von Ed und bietet sich als dessen Lustknabe an. So spielt Sloane Schwester gegen Bruder aus, was auch wunderbar funktioniert hätte, wäre da nicht Kemp. Der alte, halbblinde Mann (äußerst beeindruckend gegeben von Thomas Dehler als Ersatz für den im Moment erkrankten Olaf Burmeister) meint in Sloane den Mörder seines ehemaligen Chefs wiederzuerkennen. Als er sein Wissen preisgeben will, macht Sloane kurzen Prozess und erschlägt ihn. Gefühlskalt und den eigenen Vorteil berechnend, entscheidet das Geschwisterpaar, den Mord als Treppensturz vorzutäuschen und sich den Liebhaber in Zukunft zu teilen…

Hüni gelingt mit seiner Interpretation ein durchaus amüsanter und unterhaltsamer Abend. Vor allem ist es erneut bemerkenswert, wie verspielt der Regisseur mit den Stücken und den Figuren (man denke nur an Shockheaded Peter) umgeht. Dabei setzt er ? als sein eigenes Markenzeichen ? immer wieder auf ideenreiche, überraschende Effekte, die nicht ins Leere laufen. Schon das schrill-farbige Bühnenbild von Diana Pähler zeigt die Lust am Theater-Machen.

Leider schafft es die Inszenierung nicht ganz, die Komik konstant bis zum Ende durchzuhalten. Zu sehr schwanken einzelne Figuren in ihren Anlagen. Die sonst fantastische Jana Bauke etwa wechselt am Schluss zu überspitzt von der naiven Hausmutti zu der durchtriebenen Erpresserin. Ähnlich ist es auch bei dem vor der grellen Tapete recht blass auftretenden Martin Reik. Das ganze Stück über tritt Ed als tüchtiger Geschäftmann auf, der seine Homosexualität gekonnt versteckt. Am Ende dann outet sich der sonstige Moralapostel als fordernder Lüstling. Allgemein wird das Stück, in dem am Ende ?ein Arrangement für jeden Geschmack? gefunden wird, zu abrupt abgebrochen, so als wollten die Figuren vor ihrer Doppelmoral davonlaufen.

Und trotz dieser wenigen Schwächen bleibt dem Zuschauer eine gesellige Aufführung mit einer spannend erzählten Geschichte, zumeist bestechend guten Schauspielern und vor allem mit einer bitterbösen Komik. Orton wusste seinerzeit, wie er die Leute zum Lachen bringen konnte. Das Schauspiel Leipzig weiß es jetzt endlich auch wieder.

(René Granzow)

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