Mit Ernst und Esprit

Die Premiere in Leipzig mit Ruben Gazarjan und dem Württembergischen Kammerorchester

Freundlicher Beifall empfängt die Musiker im Mendelssohn-Saal des Gewandhauses. Lauter wird es, als Dirigent Ruben Gazarjan, 32, das Podium betritt. Man scheint ihn zu kennen, denn fast ausverkauft ist der Saal an diesem warmen Maienabend – trotz Konkurrenz im Großen Saal.

Bartóks Divertimento für Streichorchester – ein bekanntes Stück zum Auftakt. Die Streicher glühen warm, an ihrem Zusammenspiel ist nichts auszusetzen. Gazarjan schwungvoll und präzise, mit Partitur. Sie fällt, mit elegantem Schwung aufgehoben. Am Schluss fällt sie wieder zu Boden, dort bleibt sie liegen. Die Spannung ist spürbar, der Beifall freundlich.

Rolf-Dieter Arens, Meister technisch überaus präziser, warmherziger Interpretationen mit Mozart – A-Dur Klavierkonzert, KV 414. Das Orchester begleitet mit Aufmerksamkeit, der Dirigent lässt dem Solisten jede Freiheit. Starker Beifall – Solist und Dirigent umarmen sich. Trotzdem: Plötzlich ist der Beifall aus…

Zweiter Teil: Weber, Klarinettenkonzert nach dem Klarinettenquintett. Konnte Weber Klarinettisten nicht leiden, oder hat er sie zu sehr geliebt? Wolfgang Meyer, übrigens Bruder von Sabine Meyer, spielt den mörderischen Solopart mit so viel Witz und Könnerschaft, dass man seinen Ohren kaum trauen möchte. Erste Bravi…

Kenner wissen: Männer behaupten, sie liebten dünne Frauen, sauren Wein und Monteverdi. In Wahrheit aber lieben sie üppige Frauen, süßen Wein und Tschaikowski. Wer seine Serenade für Streichorchester C-Dur nicht liebt, weiß wenig von Musik. Wer sie an diesem Abend im Gewandhaus gehört hat, hatte Glück. Standing Ovations, Zugabe Walzer.

Selten zeigt sich eine Liebe zwischen Orchester und Dirigenten so sicht-, hör- und fühlbar wie an diesem Abend. Und sie ist jung: seit September vergangenen Jahres ist Gazarjan Chef in Heilbronn, brachte nach vierzig Jahren des Wirkens seines Vorgängers frischen Wind – erstmals beispielsweise gaben die Musiker ein Neujahrskonzert, dessen überwältigender Erfolg alle überraschte.

Dass in den Pausen neben Deutsch auch viel Russisch gesprochen wurde, überraschte nicht. Der gebürtige Armenier hat in Leipzig studiert und leitete drei Jahre die Westsächsische Philharmonie. Er kommt wieder – hat er versprochen.

Freitag, 23. Mai 2003, Mendelssohn-Saal des Gewandhauses


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