Die Schola Cantorum beim diesjährigen Bachfest

Martin Lehmann leitet Bachs „Psalm 51“ beim Kantatengottesdienst in der Thomaskirche

„Zwischen Tradition und Neubeginn“ – der Leitgedanke des diesjährigen Bachfestes steht in einem besonderen Zusammenhang mit dem Werk „Tilge, Höchster, meine Sünden“. Der nicht bis ins Letzte überzeugende Versuch Bachs, sich des neuen italienischen Stiles anzunehmen, wird in diesem Spätwerk, einer Bearbeitung des „Stabat Mater“ von Giovanni Battista Pergolesi, besonders deutlich. So deckt sich die deutsch/pietistische Textbearbeitung des 51. Psalms nicht immer mit der Satzvorlage Pergolesis, insbesondere in den kontrapunktischen Passagen, die Bach zumeist unverändert übernommen hat.

Analog zum italienischen Vorbild ist Bachs Kantate nur durch hohe Stimmen besetzt, wodurch sie für den Mädchenchor der Schola Cantorum Leipzig nahezu prädestiniert ist. Dem Chor bot sich eine gute Möglichkeit im Bereich der geistlichen Musik, vor allem erstmals im Rahmen des Bachfestes, in Erscheinung zu treten. Erwartungsgemäß stand daher die Aufführung des Bachschen Werkes im Mittelpunkt des Gottesdienstes in der Thomaskirche, unterbrochen durch eine auf den Kantatentext bezugnehmende Predigt.

Grundsätzlich war die Interpretation durchaus ansprechend, auch wenn sie letztlich dem eigenwilligen Werk nicht in allen Belangen gerecht wurde. Charakteristisch war, wie zu Beginn des ersten Verses der Chor den klaren und schmerzvollen Duktus des Orchestervorspiels musikalisch aufgriff, jedoch im weiteren Verlauf der gesamten Kantate dann an Spannung nachließ, was durchaus auf die lange Unterbrechung durch den Predigtteil zurückzuführen ist. Spürbar wurde dies in einer bisweilen ungenügenden Textverständlichkeit. Darüber hinaus fehlte offensichtlich die Möglichkeit, an exponierten Passagen den notwendigen stimmlichen Glanz zu entwickelten, so vor allem im Schlußsatz. Dennoch war eine intensive Vorbereitung vernehmlich, zu bemerken an einem durchweg hohen Grad an Homogenität und sicherer Intonation.

In weiten Teilen überfordert wirkte indes die Sopranistin Reglint Bühler. Neben ihrer unüberhörbaren gesundheitlichen Angeschlagenheit wirkte die Darbietung zudem recht unmotiviert. Dies äußerte sich in mangelndem interpretatorischen Bemühen, insbesondere die sprachliche Gestaltung und gesangstechnische Ausführung betreffend. Einzig überzeugend war ihre Leistung in den Duetten mit der Altistin Ivonne Fuchs, deren Auftritte hingegen zum eigentlichen Höhepunkt der Aufführung gerieten. Sie vermochte es einzig, den überwiegend schmerzvoll-dramatischen Charakter der Musik zu treffen und plausibel zu vermitteln. Das Orchester umrahmte die Kantate in ausgewogener und souveräner Weise, wenngleich dessen rhythmisches Zusammenspiel zeitweise leicht wankte. Jenes aufzufangen und auszugleichen war ebenso wie die Einstudierung des Chorparts Aufgabe von Martin Lehmann, wobei ihm beides in gewohnter Qualität gelang.

Ebenfalls zu erwähnen ist schließlich noch das getrennt aufgeführte Präludium und Fuge G-Dur BWV 541, routiniert und flüssig gespielt von Almuth Reuter. Die musikalischen Abschnitte des Gottesdienstes waren, die Werke betreffend, durchweg interessant, wenngleich die Darbietungen im Einzelnen zum Teil noch mehr erhoffen ließen.

Kantatengottesdienst/Mette

J. S. Bach: Psalm 51 „Tilge, Höchster, meine Sünden“ BWV 1083

Reglint Bühler (Sopran)
Ivonne Fuchs (Alt)
Schola Cantorum Leipzig
Telemannisches Collegium Michaelstein
Leitung: Martin Lehmann

25. Mai 2003, Thomaskirche

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