Stomp in Leipzig (Babette Dieterich)

Dienstag, 1. Juli 2003
STOMP, Premiere
Oper Leipzig

Veranstalter: BB Promotion

Mülltütengewisper und Tonnendröhnen

STOMP klingt nach plop, zack, ploing, zisch, rums. Einsilbig. Doch vielversprechend. STOMP macht Lärm. STOMP macht Musik. STOMP erzählt Geschichten ohne Worte, mit Rhythmus, Situationskomik, kleinen Gesten. STOMP sind acht unterschiedliche Akteure, sechs Männer, zwei Frauen. Sie fegen die Bühne und lassen jede Borste des Besens sprechen. Sie klopfen jeden Gegenstand auf seine Klanglichkeit ab, kindlich-verspielt bis zur letzten musikalischen Konsequenz. Was da völlig spontan daher kommt, ist im Detail eine perfekte, cool wirkende Choreographie. Exakter Rhythmus, kombiniert mit Tanz und Kampfsportelementen.

Die Bühne wirkt wie eine heruntergekommene Häuserfront in einer Großstadt. Straßenschilder, Mülltonnen und Autoteile hängen als ein Müll-Mosaik an den Wänden. Das ist ein wenig wie West Side Story. Und da kommen auch schon die Straßengangs, doch das kriegerische Gegeneinander steht nicht im Vordergrund. Streichholzschachteln werden im Rhythmus geschüttelt, Hände klatschen den Körper ab, dass das Talkum nur so staubt. STOMP erzählt keine große, zusammenhängende Geschichte, sondern viele, witzige Episoden, die vom Rhythmus, der großen, körperlichen Präsenz der Spieler und dem heruntergekommenen Ambiente zusammengehalten werden.

Da ist einer immer der Außenseiter. Er will dem Publikum einen tollen Klangtrick mit Metallspachteln präsentieren und wird permanent gestört. Oder er hüpft in seiner Teekiste in die falsche Richtung. Witzig im Detail, stark in der Situationskomik, das ist STOMP. Wenn vier Männer in ihren Spülbecken, die sie sich um den Bauch geschnallt haben, den Stöpsel ziehen und dabei das Wasser zwischen ihren Beinen in einen Eimer läuft, weiß jeder, was gemeint ist.

Geradezu genial sind die Szenen, in denen das rhythmische Element eher beiläufig daher kommt und die eine geschlossene Geschichte erzählen. Paradebeispiel ist die Szene mit jenem Außenseiter, der über einem Notizbuch gebeugt den Kugelschreiber zwischen den Zähnen klackern lässt und bei seiner besinnlichen Tätigkeit von zudringlichen Zeitungslesern gestört wird. Zeitungsraschler wäre das richtigere Wort, Zeitungsknüller, Zeitungsschläger, Zeitungsfalter, Zeitungsreißer, Zeitungshineinschnaufer, oder was man sonst noch alles machen kann mit einer Zeitung. Genervt gebietet der Außenseiter Ruhe, die Zeitungsleser verstummen einen Moment in ihrem Tun. Darauf kommt erneut sein Kugelschreiberklackern an die Zähne, das nur ganz zu Anfang der Szene zu hören gewesen war. Jetzt liegt es an den Zeitungslesern, ein lautes ?Pscht? zu sagen, und die Szene schlägt gekonnt den Bogen zum Anfang.

Ebenso voller Situationskomik steckt eine Szene, in der die beiden Frauen des Ensembles mit Mülltütengewisper um die Gunst eines Mannes buhlen, der in ihrer Mitte sitzt und mal die eine, mal die andere mit rhythmischen Impulsen in ihrem Tun bestätigt. Erstaunlich, wie viel knisternde Erotik in raschelnden Mülltüten liegen kann.

Spannend sind auch die Kontraste zwischen ganz leisen Klängen und großem Lärm. Kurz bevor die Spieler den ganzen Bühnenaufbau bearbeiten, kommt die leiseste Szene des Abends: Im völligen Dunkel klacken Feuerzeuge auf. Rhythmisch werden die Gesichter der Akteure beleuchtet. Eine minimalistische Licht- und Klangchoreographie. Kurz darauf besteigen die Akteure die Häuserfront, hängen sich an Gurte und bearbeiten rhythmisch pendelnd Tonnen und Autoteile, dass es nur so kracht.

STOMP heizt dem Publikum ein. Doch auch das geht wortlos, keine ?Clap your hands?-Aufforderung ist nötig, die Akteure sind so präsent auf der Bühne, da genügt ein Blick, und der Rhythmus wandert in den Zuschauerraum. Vor allem in der Zugabe testen die Spieler das Rhythmusgefühl des Publikums und treiben mit der Erwartungshaltung ihren Schabernack. Damit sich der letzte, zurückgebliebene Akteur von der Bühne stehlen kann, verlockt er das Publikum dazu, immer leiser zu klatschen, nur noch zu schnipsen, und nähert sich dabei immer mehr dem rettenden Bühnenausgang. Kurz bevor er verschwindet, brandet jedoch der Beifall wieder auf. Zu recht.

(Babette Dieterich)

Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.