Ein (un)möglicher Härtefall, der neue Film der Gebrüder Coen (Roland Leithäuser)

„Ein (un)möglicher Härtefall“, der neue Film der Gebrüder Coen

Ein (un)möglicher Härtefall
(Intolerable Cruelty)
USA 2003
Regie: Joel Coen / Ethan Coen
Drehbuch: Robert Ramsey, Matthew Stone
Darsteller: George Clooney, Catherine Zeta-Jones, Geoffrey Rush, Billy Bob Thornton u.a.
100 Minuten

(Bild: Verleih)
Der talentierte Mister Massey

Von einem Stilbruch sei die Rede: seit ihrem ersten abendfüllenden Spielfilm „Blood Simple“ aus dem Jahr 1984 verwirrten die genialen Regie-Brüder Joel und Ethan Coen ihr Publikum und die Fachwelt des Films mit grotesk-schönen Filmen und bizarren Credits, die mal den einen, mal den anderen Bruder als jeweiligen Regisseur und Drehbuchschreiber auswiesen. Was muß man nun sehen? Für ihren neuesten Film „Intolerable Cruelty“ zeichnen erstmalig zwei externe Autoren als Drehbuchschreiber verantwortlich, die hauseigene Produktionsfirma Working Title bleibt außen vor, und der Film wird mit einigem publizistischen Aufwand durch den Verleih der Universal Pictures vermarktet. Ein schlechtes Zeichen? Mitnichten. Denn auch im Kino-Mainstream scheinen sich die Coens wohl zu fühlen, wie „Ein (un)möglicher Härtefall“ mit Starbesetzung eindrucksvoll belegt.

Der omnipräsente George Clooney drückte bereits vor drei Jahren dem Coen-Werk „O Brother Where Art Thou“ seinen Stempel auf, und auch in der diesjährigen Produktion stellt er unter Beweis, daß massenkompatible Schauspieler durchaus anspruchsvolle Rollen auszufüllen imstande sind. Clooney spielt den erfolgreichen, aber leicht neurotischen Staranwalt Miles Massey, der trotz seines eindrucksvollen Klientenstammes und seines in der juristischen Welt gerühmten Modells eines Ehevertrags (des Massey pre-nup) an einem Wendepunkt seines Lebens angekommen zu sein scheint. Da erscheint ihm die Katharsis in Form der bildschönen Klientengattin Marylin Rexroth (Catherine Zeta-Jones). Diese hat mit Hilfe eines umtriebigen Privatdetektivs den Ehebruch des Gatten festgestellt und drängt nun auf eine schnelle Scheidung und die damit verbundene finanzielle Abfindung. Miles Massey aber, als Meister seines Faches, dreht im Gerichtssaal den Spieß um und weist seinerseits nach, daß es sich bei Marylin um eine kühl kalkulierende Heiratsschwindlerin handelt, deren Ehe mit dem Immobilienmakler Rexroth von vornherein nur ihrer finanziellen Absicherung dienen sollte. Masseys Klient gewinnt und die ehemalige Mrs. Rexroth steht ohne einen Cent da. Doch ganz im Stile der amerikanischen Screwball-Komödien der 50er und 60er Jahre geht der Kampf der Geschlechter nun in eine neue Runde. Marylin, ihrer durchschlagenden Wirkung auf Miles sicher, präsentiert ihm alsbald ihren neuen Gatten, den vorgeblichen Ölmilliardär Howard D. Doyle, mit dem sie einen der gefürchteten Eheverträge Masseys abschließen will, um ihre Integrität vor dem zukünftigen Gatten zu beweisen.

Billy Bob Thornton, der bereits den letzten Film der Coens, die Charles-Laughton-Hommage „The Man Who Wasn’t There“ zu einem großen filmischen Gewinn machte, brilliert in dieser Nebenrolle als geschwätziger Texaner mit Stetson und Cowboyboots. Der Vertrag wird geschlossen und auf der Hochzeit, der Massey mit seinem Assistenten beiwohnt, von Doyle umgehend wieder vernichtet. Da die nächste Scheidung nicht lange auf sich warten läßt, ist es bald Massey selbst, der blind vor Liebe und betrunken in einer Wedding Chapel in Las Vegas die unnachahmliche Marylin ehelicht und den selbst gestalteten Ehevertrag außer Betracht läßt. Nach der Hochzeitsnacht kommt das böse Erwachen: Marylin verläßt den Juristen mit einigem Gepäck und im Glücksgefühl des nun zu erwartenden Vermögens. Massey hat allen juristischen Kniffen zum Trotz in der Lieb und im Glück den Kürzeren gezogen. Was nun folgt, ist die wohl haarsträubendste Liebesgeschichte, die das große Kino in den letzten Jahren wohl aufzubieten hatte. Massey erfährt vom Tod des Klienten Rexroth, der seiner geschiedenen Frau Marylin sein gesamtes Vermögen vermacht hat. Damit wäre der Anwalt finanziell wieder mit von der Party, doch hat der zum Zeitpunkt dieser Nachricht bereits einen Profikiller auf die Herzensdame angesetzt. Dieser wird von Marylin gestellt und ihrerseits auf Massey gerichtet. In einem grotesk-komischen Showdown mit dem bulligen Killer entgehen beide ihrem vorzeitigen Tod, es trifft einzig den ?Hitman?, der in einem ungünstigen Moment sein Asthmaspray mit seiner Waffe verwechselt und sich in den geöffneten Mund schießt.

Am Schluß kommt es, wie es sich für eine solide Komödie gehört, zum Happy End. Beim Vergleichstermin fallen sich Marylin und Miles schluchzend in die Arme, sich gegenseitig ihrer ewigen Liebe und Treue versichernd. Das Happy End als Open End schließt mit der neuen Karriere eines ehemaligen Seifenoperproduzenten, den Massey einst in einer Scheidungsangelegenheit um sein Vermögen gebracht hatte, und aus dessen Dunstkreis auch der angebliche Ölbaron Doyle stammte, der im wirklichen Leben als Schmonzettenschauspieler arbeitete. Diesen selbstkritischen Seitenhieb auf das Filmgewerbe verkneifen sich die Brüder Coen genausowenig wie den schmalzigen Schluß insgesamt, der allerdings, wie in allen ihrer Filme, eine gewisse Doppelbödigkeit besitzt.

In jeder anderen Produktion dieses Stils (wovon es wahrlich zu viele gibt) wäre die Handlung im Klamauk, der Schluß in Tränenseligkeit, die Besetzung im Mittelmaß kulminiert. Nicht so in „Ein unmöglicher Härtefall“. Den Coens gelingt es, den schwierigen Spagat zwischen Mainstream-Komödie und Autorenkino zu meistern. Nichts bleibt dabei dem Zufall überlassen, nicht einmal das Sujet. Mehr als einmal fühlt sich der Zuschauer an großartige Filme aus vergangener Zeit erinnert, in denen Doris Day, Rock Hudson und / oder Cary Grant ähnliche Spiele miteinander trieben, wie es hier Clooney und die Zeta-Jones tun. „Warum habe ich Ja gesagt?“ lautet einer dieser Filme mit deutschem Titel, und diese Frage scheinen sich auch die Protagonisten von „Intolerable Cruelty“ fortwährend zu stellen.

Den stilbildenden Filmen de Gebrüder Coen ist ein weiterer hinzugefügt worden, wenn sie das Feld der Komödie ja bereits mit „The Big Lebowski“ erfolgreich beackert hatten. Nun zeigen sie uns großformatiges Kino, daß aber nicht auf den anarchischen Witz früherer Werke verzichtet. Geniale Einfälle im neuen Film, wie beispielsweise die Auftritte des „Senior Partner“ aus Masseys Kanzlei, bei dem es sich tatsächlich um einen an Beatmungs- und Nahrungsschläuche angeschlossenen Greis handelt, oder die dekadenten Umtriebe eines Clubs der geschiedenen Frauen sucht woanders im amerikanischen Kino vergeblich. Ambivalenter Witz ist das, bisweilen mit einer gewissen Nähe zum Abseitigen, nie aber zur billigen Pointe. Daß Schauspieler der ersten Hollywood-Riege diese Art von Humor und cineastischer Wertschöpfung nicht länger als Betätigungsfeld verschmähen, ist ebenso ein Verdienst der Coen-Brüder. Mit Catherine Zeta-Jones, die sich in „Ein unmöglicher Härtefall“ als gereifte femme fatale präsentiert, ist den Regisseuren eine weitere großartige Besetzung gelungen.

Der Paradigmenwechsel vom Arthouse hin zum Multiplex ist grandios vollzogen! Die Coen Brothers brechen eine Lanze für den gepflegten Unterhaltungsfilm und lehren Hollywood fürderhin das Fürchten.(Roland Leithäuser)

„Ein unmöglicher Härtefall“ läuft ab Donnerstag, 23.10.2003 im CINE STAR Leipzig an.

Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.