Das Barockorchester spielt Bachs Weihnachtsoratorium BWV 248, Kantaten 1-3 in der Thomaskirche unter der Leitung von David Timm
Ausgesprochen dynamisch von der Pauke begleitet, eröffnet der Eingangschor „Jauchzet, frohlocket“ diese Aufführung des Weihnachtsoratoriums. David Timm hebt in den Chören dieses Evergreens der Adventszeit die tänzerische Seite Bachs hervor, während er in den Chorälen einen ruhigen Klangfluss modelliert und zeigt, zu welch akustischer Fülle das Leipziger Vocalensemble fähig ist. Etwas von dieser Klangfülle hätte dem Einstiegschor ebenfalls gut getan, doch auch ein Chor braucht seine Anlaufzeit. Das Vocalensemble zeigt dann vor allem im Schlusschor des dritten Teiles „Herrscher des Himmels, erhöre das Lallen“, dass sich tänzerische Leichtigkeit durchaus mit Klangfülle kombinieren lässt.
Keine Anlaufzeit benötigt der junge Tenor Daniel Johannsen, sein Evangelist klingt frisch und klar von den ersten Worten an. Und gerade die Textverständlichkeit zeichnet seine Interpretation aus. Einzig in der heiklen Tenorarie „Frohe Hirten“ eilen ihm die Koloraturen etwas davon und geraten zu sehr gehaucht. Daniel Johannsen erhielt 2002 als jüngster Finalist im Fach Gesang den zweiten Preis beim XIII. Internationalen Johann-Sebastian-Bach-Wettbewerb in Leipzig und widmet sich neben dem Oratorium auch dem Lied- und Operngesang.
Mit einer betörend warmen Stimme erobert sich die Altistin Klaudia Zeiner den Kirchenraum. Sie ist Mitglied des MDR-Chores und eine gefragte Solistin im Lied- und Oratorienfach. Geringfügige Intonationstrübungen in ihrer ersten Arie „Bereite dich Zion“ sind rasch überwunden. Ihre kräftige, volle Stimme entfaltet sich fließend in der zweiten Arie „Schlafe mein Liebster“, die neben einem langen Atem der Interpretin im Mittelteil auch eine geschmeidige, koloraturfähige Stimme abverlangt. Beidem ist die gebürtige Polin souverän gewachsen. Ebenso warm und berührend gelingt ihr die dritte Arie „Schließe, mein Herze“.
Von einer Arie pro Kantate kann der Sopran leider nur träumen, er wird von Johann Sebastian Bach in den ersten Teilen des Weihnachtsoratoriums etwas stiefmütterlich behandelt. Schade für die Sopranistin Barbara Tisler, deren schöner Stimme man ein paar mehr Möglichkeiten zur Entfaltung gewünscht hätte. Mit guter Intonation und klarer, flötenartiger Stimme meistert sie ihren ersten Auftritt als Engel. Ihr zweites Stück, das Duett mit Bass in der dritten Kantate, bietet ihr einige, wenige Momente, die Stimme aufblühen zu lassen. Dennoch, und das mag an meiner persönlichen Abneigung liegen, wirkt dieses Duett in der stimmlich weit auseinander liegenden Besetzung Sopran/Bass häufig farblos und hat Längen. Die heutige Interpretation klingt zudem etwas lustlos gespielt. Ich warte noch auf eine Interpretation des Weihnachtsoratoriums, in der mich auch dieses Stück überzeugt.
Dominik Wörner, der Bassist des Abends, gewann 2002 beim Internationalen XIII. Bach-Wettbewerb den ersten Preis. Heute braucht auch er eine gewisse Anlaufzeit, seine Stimme klingt zunächst etwas flach und farblos, steigert sich dann aber in der Arie „Großer Herr, o starker König“ und gewinnt an Volumen. Trotz allem fehlt ihr noch etwas Wärme, was vor allem auffällig wird, wenn man seinen Bass mit dem weiblichen Pendant, dem Alt von Klaudia Zeiner, vergleicht.
Mit seinen jungen, mehrfach mit Preisen ausgezeichneten Solisten und einem beschwingt spielenden Leipziger Barockorchester und ebenso singenden Vocalensemble gelingt David Timm eine erfrischende Interpretation des Weihnachtsoratoriums. Sein Gefühl für Rhythmus und Leichtigkeit mag auch daran liegen, dass David Timm sich neben der Klassik dem Jazz widmet. In beiden Bereichen hat sich der gebürtige Warener bereits einen Namen gemacht. Er leitet nicht nur seit 1999 das Leipziger Vocalensemble, sondern gründete auch in demselben Jahr gemeinsam mit Frank Nowicky die LeipzigBigband.
Johann Sebastian Bach: Weihnachtsoratorium BWV 248, Kantaten 1 – 3
Barbara Tišler, Sopran
Klaudia Zeiner, Alt
Daniel Johannsen, Tenor
Dominik Wörner, Bass
Leipziger Vokalensemble
Leipziger Barockorchester
Leitung: David Timm
Samstag, 6. Dezember 2003, Thomaskirche Leipzig
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