Geheime Wahl – Secret Ballot, ein Film aus dem Iran (Babette Dieterich)

Geheime Wahl – Secret Ballot
Iran 2001
Regie: Babak Payami
mit Nassim Abidi, Cyrus Abidi, Yossef Habashi
100 min, OmU (persische Dialoge)

10.- 14.1.04 in der naTo
15. – 21.1.04 im CinedingAuf der Jagd nach Wählerstimmen

Da landet eine Kiste mit Fallschirm auf einer einsamen Insel, bewacht von zwei Soldaten, die abwechselnd ein Metallbett am Strand belegen und das einzige Gewehr schultern. Die Kiste der Pandora? So muss es dem mürrischen, an diesem Tag diensthabenden Soldaten (Cyrus Abidi) vorkommen. Sie enthält eine Wahlurne. Und da kommt auch schon Pandora höchstpersönlich per Motorboot eingeschifft, die Wahlleiterin (Nassim Abidi), die mit einem enthusiastischen, von der Wichtigkeit der Wahl überzeugten Redeschwall in das Schweigen der Soldaten einbricht.

Das ist der spannende Kontrast, der den gesamten Film trägt: Auf der einen Seite eine vor Idealismus überschäumende junge Frau, die versucht, alte, patriarchale Strukturen aufzubrechen, auf der anderen Seite das Unverständnis des Soldaten und der Inselbevölkerung, teilweise Analphabeten, Schmuggler oder Frauen, die mit 12 Jahren schon verheiratet werden können, aber erst mit 16 wählen dürfen, so es ihre Männer ihnen erlauben. Die Anwesenheit des mürrischen Soldaten, der die junge Frau auf ihrem Stimmenfang begleitet, sorgt für zusätzliche Komplikationen: Ein Schmuggler rennt aus Angst vor dessen Gewehr durch die Wüste, eisern verfolgt von der Wahlleiterin, die ihn schließlich zur geheimen Wahl nötigt.

Von der Nachbarinsel hat ein Mann einen Lastwagen voller Frauen herangekarrt und will in deren Namen die Stimmen abgeben. Der Wächter eines utopisch anmutenden Solarzentrums kann nur Gott wählen, weil er die Namen auf der Wahlliste nicht kennt. So reiht sich eine bizarre Situation an die andere, doch der Idealismus der jungen Frau scheint kaum einen Kratzer zu bekommen. Ihre Haltung überzeugt schließlich auch ihren grimmig dreinblickenden Begleiter, dessen Stimme sie am Ende beinahe vergessen hätte. Dann holt ein Flugzeug die Wahlleiterin ab und lässt einen Soldaten zurück, der sich plötzlich wünscht, dass die Wahlen nicht nur alle vier Jahre, sondern viermal im Jahr stattfinden mögen. Der Enthusiasmus der jungen Frau hat doch seine Spuren auf der Schmugglerinsel hinterlassen.

Lange Einstellungen und eine ruhige Kameraführung bestimmen die Bildästhetik. Im Verlauf des Filmes hätten ein paar Tempowechsel der sich einstellenden Monotonie gut getan. Doch vielleicht ist diese gerade beabsichtigt, schließlich ist Stimmenfang in der Wüste kein leichtes Unternehmen. Unverstellt agierende Laiendarsteller geben dem Film einen weiteren Reiz, lassen ihn in seiner Absurdität immer wieder authentisch erscheinen. Sehr gelungen ist auch die Filmmusik, die nur sparsam eingesetzt wird und in ihrem minimalistischen Charakter die Monotonie und scheinbare Unveränderbarkeit der Szenerie untermalt.

Der Regisseur Babak Payami sagt zu diesem Werk: „Mein Film versucht nicht, realistisch zu sein“. Er hat eine gute Balance zwischen (Alltags-)Absurdität und beinahe Dokumentarfilmcharakter gefunden. Der Film ist eine gelungene Parabel über den mühsamen Weg der modernen Demokratie in einer Gesellschaft, die an strenge (Geschlechter-)Rollen und Traditionen festhält. Doch er zeigt auch die Ansätze eines Wandels.(Babette Dieterich)

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