Die Wiederkehr der „Blume von Hawai”

Paul Abrahams Operette in Leipzig wiederentdeckt

Dem ungarischen Komponisten Paul Abraham steht es zu, dass in aller Ausführlichkeit auf sein Schaffen und im Zusammenhang damit auf dessen Zeitumstände eingegangen wird, zumal der Nationalsozialismus seinerzeit alles daran setzte, Schöpfer und Werk zu vernichten. Es ist nur zu begrüßen, dass seine Operette nunmehr zum zweiten Mal an den Ort zurückkehrt, an dem sie uraufgeführt wurde (Aufführung 1990, Regie Andreas Knaup). Operetten-ZeitgeschichtlichesWien Die Wiener Operette, die mit Franz von Suppés „Schöner Galathee“ (1865) so flott daher gekommen war und sich als „Fledermaus“ (1874) von Johann Strauss zu ihrem klassischen Höhepunkt emporgeschwungen hatte, fand im Schaffen Robert Stolz´ ihren Ausklang. Es waren nicht die Operetten aus der Feder von ihm, die seinen Weltruhm begründeten, sondern der Schmelz des Liedes „Im Prater blühn wieder die Bäume“ sowie die Musik zu dem Tonfilm „Zwei Herzen im Dreivierteltakt“. Die Singspiele von Stolz blieben so unbekannt, wie der Walzer aus dem Film bekannt wurde. Vergeblich auch das Ringen der Ära Lehár, Straus, Fall um den Erhalt, selbst ihre Erfolge halfen nichts, im Gegenteil, die Wiener Operette ging endgültig im „Land des Lächelns“ unter (1929). Berlin Und wie stand es nun mit der Berliner Operette? Die Frage lässt sich mit „besser“ oder „schlechter“ so einfach nicht beantworten, da der leichten Muse in Berlin eine ganz andere Mentalität eignete. Berlins Operette zeigte sich zu damaliger Zeit als ein integrierter Bestandteil der Verhältnisse in der Weimarer Republik. Der Kaiser war gegangen, alle anderen sind geblieben. Wenn auch verhüllt, getarnt, verleugnet, avancierte jetzt und überall die Parole „Bereichert Euch!“ zur Lebensmaxime, von Joachim Ringelnatz gekonnt als schwarzen Humor vorgeführt: „Komm sage mir, was du für Sorgen hast. Reich willst du werden? – Warum bist du’s nicht?“ Ein solches Lebensgefühl hätte die Berliner Operette augenblicklich aufgreifen und als leicht geschürzte Satire auf die Bühne bringen können. Doch sie tat es nicht. Einzig Brecht/Weills „Dreigroschenoper“ wagte den Angriff. Auch wenn sich dieses Stück mit Musik selbst nicht als Operette bezeichnete, gehört es doch zur Familie. Die Goldenen Zwanziger Die soziale Verunsicherung nach 1918 und die Übermacht der Siegermächte, insbesondere der USA, ergaben ein Stimmungskonglomerat, als dessen Folge sich eine Orientierung nach Westen ergab und den Zugriff auf das kulturelle Angebot aus diesem Raum vorbereitete. Als dann Kredite aus Amerika Mitte der zwanziger Jahre eine gewisse Stabilität bewirkten, die Zeit des Darbens vorüber schien, schwappte auch die Kunst aus Übersee herüber. Berliner Zeitungen titelten: Schlagsahne wieder freigegeben! Behörden erlauben Lichtreklame! Und auch auf den Brettern, die die Welt bedeuten, begann es zu knistern: Kulissenwechsel, Kostümvielfalt und Lichtregie. Nicht an Projekten, nicht an Maschinen sparte jetzt die Intendanz, dafür aber um so mehr an Sinn und an Geschmack. Unter den Rhythmen aus Transozeanien erhob sich unverzüglich aus der Asche der Inflation das Ausstattungsstück, die Revueoperette und brachte „Weltoffenheit“ nach Berlin-Mitte. Paul Abrahams „Blume von Hawaii“ ist dafür ein profundes Beispiel. Das Werk wurde zwar am 24. Juli 1931 unter Leitung des Komponisten im Leipziger Neuen Theater am Augustusplatz uraufgeführt, begann aber seinen Siegeslauf erst danach vom Berliner „Metropol“ aus. Der Ungar Pál Ábrahám – Paul Abraham

Hochgradig turbulent bis hin zu weltweitem Ruhm, aber auch zutiefst tragisch verlief das Leben des Komponisten Paul Abraham.Die frühen Jahre Geboren am 2. November 1892 im damals südungarischen Apatin, erhielt Paul Abraham den ersten Klavierunterricht von seiner Mutter, einer früh verwitweten Musiklehrerin. Trotz hoher Musikalität wählte er als Heranwachsender zunächst nicht die Tonkunst zu seinem Beruf, sondern begann in Budapest eine Banklehre. Nebenher aber nahm er dann doch ein Studium am dortigen Konservatorium auf. Die Musik packte ihn jetzt derart, dass er in der Zeit von 1910-1916 seine Ausbildung an der Königlich Ungarischen Musikakademie fortsetzte. Abrahams Können überzeugte, so dass ihn die Akademie sogar zum Professor für Musiktheorie und liturgische Musik berief. Frühe Kompositionen führte das Budapester Philharmonische Orchester auf. Einige Werke erklangen immerhin während der Salzburger Festspiele.

Abraham aber lebte auch die dunkle Seite seiner Existenz aus, besuchte regelmäßig die Spielhöllen der Donaumetropole und kam deshalb besonders während der Inflationszeit in finanzielle Schwierigkeiten. Es könnte durchaus sein, dass sich in dieser Lebensweise bereits der spätere geistige Zusammenbruch seines Künstlertums andeutete.Der Operettenkomponist Vielleicht, um seine Situation zu stabilisieren, vielleicht auch aus einem inneren Drang heraus wandte sich Abraham von da an mehr dem Kapellmeisterberuf zu, kehrte schließlich der ernsten Musik für immer den Rücken und ging 1927 an das Budapester Operettentheater, wo ein Jahr später seine ersten Operetten „Zenebona“ und „Der Gatte des Fräuleins“ lediglich mit Achtungserfolgen zur Uraufführung kamen. Abraham aber ließ sich durch das laue Ergebnis nicht entmutigen, sondern verlegte seinen Wohnsitz von Budapest nach Berlin, das zum Zentrum europäischer Operettenproduktion aufgestiegen war und Wien längst hinter sich gelassen hatte. Bald stellten sich Erfolge ein. Ein Schlagerlied für Willy Fritsch, das er 1929 dem ersten Tonfilm der UFA zuschoss, schlug glänzend ein. Bald galt er als stärkster Aktivposten filmmusikalischen Schaffens.
Doch seinen endgültigen Durchbruch erlangte der Komponist dann 1930 mit der Operette „Viktoria und ihr Husar“, die zwar in Budapest ihre Uraufführung erlebt hatte, aber erst auf den Leipziger Operettenfestspielen und im Berliner „Metropol“ als Weltereignis von Rang bejubelt wurde. Abraham soll eine halbe Million an dem Stück verdient haben. Jetzt konnte er ungehindert seiner Neigung zum Luxus nachgeben, mietete eine Zehn-Zimmer-Wohnung auf zwei Etagen in Wilmersdorf, dem elegantesten Viertel von Berlin, stopfte das Appartement voll mit Porzellanen, Gemälden und Teppichen, kaufte Mokkatassen en gros und mit einem Schlage sechzig Anzüge für sich inklusive 300 Seidenhemden. Mit der Operette „Die Blume von Hawaii“ stieg Abrahams Popularität sogar noch weiter an. Kein Geringerer als Franz Lehár erhob den Ungarn zum Kronprinzen der Operette – und sich selbst zu deren Kaiser.
Operette + Revue + Kinosentiment Der Jazz traf in den Zwanziger Jahren den Nerv der Zeit. Es waren seine Rhythmen, in denen sich das damalige Lebensgefühl artikulierte und deren Ausdrucksformen Otto Dix in seinem Großstadt-Triptychon 1927/28 nicht treffender hätte visualisieren können. Paul Abraham aber war der Erste, der die selbstbewusste Geste des Hot-Jazz in die Operette einbrachte und mit dessen Durchschlagskraft die Tochter der leichten Muse enttypisierte. Internationalismen und Exotismen halfen ihm dabei. Und doch klebte am Hintergrund seiner „Blume von Hawaii“ immer noch die alte Schablone aus Wien, obwohl der breit angelegte Englishwaltz den Vetter aus Österreichs Hauptstadt fast völlig verdrängte und die beiden Foxtrottbrüder, der Tango, der Hula-Tanz, das Melodram sowie das Chanson bei ihm die Szene revolutionierten. Vorrangig in der „Blume von Hawaii“ erweist sich Abraham als Meister eines exotischen coleur locale, indem er sowohl in harmonischer wie auch instrumentaler Hinsicht zu Mitteln griff, die weit über die Gepflogenheiten der Unterhaltungsmusik in der Zwischenkriegszeit hinaus gingen. Neben dem klassischen Instrumentarium finden sich im Orchester Originalinstrumente, so die Hawaiigitarre zur Erzeugung des charakteristischen Vibrato- und Glissandoklanges, die Vogelpfeife und die zwei kleinen Einfelltrommeln unterschiedlichen Durchmessers, Bongos genannt. Auch das Sousaphon gehört dazu, eine kreisrunde Tuba, die aus der amerikanischen Jazz- und Straßenmusik stammt.
Das Neben- und Gegeneinander von Sentiment, Show, Selbstironie und Exotik ergibt ein Bühnengeschehen, das dem Zuschauer hohen Genuss bereitet und dem damaligen Mix auf der Kinoleinwand voll entsprach. Absturz Im Januar 1933 kam es in Deutschland zum Umbruch. Hitler riss die Macht an sich, die Republik entartete zur Diktatur. Mit voller Absicht lösten die Nationalsozialisten Deutschland aus den altüberlieferten Zusammenhängen des europäisch-amerikanischen Kulturkreises. Die Gemüter verstumpften, die Seelen verrohten, der Hass gegen alles Andersartige nahm ein bis dahin nie erreichtes Ausmaß an. Die Werke Paul Abrahams durften nicht mehr aufgeführt werden Der Komponist sah sich als jüdischer Mensch gezwungen, Deutschland zu verlassen. Er emigrierte zunächst nach Wien, brachte dort drei neue Operetten heraus, mit denen er allerdings seine Erfolge von Berlin nicht wiederholen konnte, floh weiter über Budapest, Paris hinüber nach England, von da nach Kuba und kam am Ende dieser Odyssee schließlich in New York an. Im Unterschied zu Robert Stolz gelang es ihm nicht, im amerikanischen Exil Fuß zu fassen. Seine Musik wurde hier kaum gespielt. Was in Europa als Sensation daher geschritten kam, galt in New York als überholt.

Ohne Aufenthaltsgenehmigung, ohne Aussicht auf Engagements wähnte er, vor dem Abgrund seiner Existenz zu stehen und fiel in geistige Umnachtung. Sein Freund Alexander Paal sah sich gezwungen, ihn in eine psychiatrische Klinik einzuliefern, wo sich sein Zustand allmählich besserte. Ab Februar 1946 verbrachte Abraham zehn Jahre im New Yorker Credmoor Hospital. Es wird behauptet, dass er an einer Lues litt, die nicht rechtzeitig genug behandelt worden war. Sein Besuchervisum war inzwischen abgelaufen, eine Aufenthaltsgenehmigung bekam er auch nicht, weil diese nur an Personen ausgegeben wurde, deren Gesundheitszustand keinen Zweifel offen ließ. Nach intensiven Verhandlungen des Hamburger Schriftstellers Walter Anatol Persich erlaubten endlich zuständige Stellen, dass Paul Abraham sich einem Sammeltransport anschließen durfte, mit dem er dann nach Deutschland zurückfliegen konnte. Er kam in das Eppendorfer Krankenhaus von Hamburg, dessen Ärzte ihn für unheilbar geisteskrank erklärten. Die Behörden entmündigten den einst berühmten Komponisten und regelten seine verworrenen Finanzverhältnisse. Abrahams Frau Charlotte, von der er sich 1939 getrennt hatte, zog von Budapest nach Hamburg, so dass er von da an wieder mit ihr zusammen leben konnte.

Nach einer Knieoperation starb Paul Abraham am 6. Mai 1960. Sein Grab befindet sich in Hamburg-Ohlsdorf. Die Blume von HawaiiVorgeschichte Paul Abrahams Operette spielt auf ein Ereignis an, das sich am Ende des 19. Jahrhunderts in der Hauptstadt der Hawaii-Inseln, in Honolulu zutrug, wo sich auch Angehörige anderer Nationen, insbesondere Bürger aus den USA, angesiedelt hatten. Prinzessin Liliuokalani, geboren 1838, wurde 1891 zur Königin des Inselreiches gekrönt. Bereits zwei Jahre später musste sie auf ihre Königswürde verzichten, Anhänger der USA hatten sie gestürzt und eine Inselrepublik gegründet, welche 1898 die Vereinigten Staaten in Besitz nahmen. Seit 1959 ist Hawaii 50. Bundesstaat. Die genauen historischen Zusammenhänge werden allerdings in der Operette unklar wiedergegeben, deshalb vom jeweiligen Regisseur aktualisiert und zur Politsatire hoch stilisiert, so auch jetzt in Leipzig. „Die Blume von Hawaii“ 2004 in Leipzig Einen Tag nach der Uraufführung am 24. Juli 1931 im Neuen Theater am Augustusplatz schrieb die Leipziger Volkszeitung, dass dieser Operette sogar ohne Stars wohl überall ein sensationeller Erfolg beschieden sein wird; und in der Tat, auch 2004 zeigt sich in der Musikalischen Komödie: Abraham konzipierte diese seine Musik für die Bühne derart genial, dass eine bescheidene Regie, eine gewöhnungsbedürftige Choreografie und eine kümmerliche Ausstattung der musikalischen Substanz des Werkes nichts anhaben kann. Die musikalische Leitung übertrug das Theater dem Studienleiter Christian Hornef. Seiner ersten selbständigen Einstudierung am Leipziger Haus muss bescheinigt werden, dass sie ihm in vielfacher Hinsicht gut gelang. Hornef entschied sich für die originale Orchesterfassung, entfernte einige Schnörkel, wie er sagte, weil sie ihm zu unzeitgemäß erschienen und erzeugte mit dem Orchester der Musikalischen Komödie einen satten, dabei sehr differenzierten Klang, fern aller domestizierten Idylle: hohes Tempo, wo es angebracht schien, jazzig, nervös, ekstatisch, durchaus kein Salonorchesterklang. Wer das meint, sollte sich zum Vergleich die Schallplatteneinspielung aus den 60er Jahren mit Rudolf Schock anhören. Soweit es sich beobachten ließ, verfügt Hornef über eine intelligente Schlagtechnik und Zeichengebung, die es ihm ermöglicht, Bühne und Orchester in Übereinstimmung zu halten. Trotzdem kam es während der großen Wiederholung der Titelmelodie zu erheblichen Schwankungen. Den Chor hatte Wolfgang Horn in gewohnter Weise gut vorbereitet. Ob im Orchestergraben oder auf der Bühne steuerte das Ensemble seinen Anteil zum musikalischen Gesamteindruck in klangvoller Homogenität bei. Regie : Um es gleich vorweg zu sagen, das Stück spielt nicht an den Orten, die das originale Libretto vorschreibt, sondern Inszenator Christian von Götz hat sich etwas anderes ausgedacht. In Zeiten leerer Kassen kann sich das Theater keine mondänen Bühnenschauplätze leisten, auch bevorzuge das heutige Publikum eine andere Sichtweise, so meinte offensichtlich das Regieteam; also verlegte von Götz die Handlung auf das Deck eines Feriendampfers mit Kurs auf Hawaii, wo sich eine bunt zusammengewürfelte Gesellschaft mit Hallo und großen Erwartungen einfindet. Der Ursprungstext erfuhr eine gelungene Angleichung. Soweit, so gut. Alles andere aber erzeugt mehr Unbehagen als eine freundlich-unbeschwerte Stimmung. Die „Hawaii Flower“ soll zwar ein Luxusliner sein, schaut aber eher wie ein Blechkahn aus, dem die technischen Prüfstellen noch eine letzte Fahrt gestatteten. Und tatsächlich, das Schiff kommt vom Kurs ab, rammt wie weiland die „Titanic“ einen Eisberg und geht im dritten Akt unter. Das hatten wir alles schon mal, und nicht zu knapp. Trotzdem: Schiffsbesatzung und Passagiere tauchen ab in eine Traumwelt, worüber das Publikum eigentlich recht froh ist, weil das langweilige Bühnenbild endlich nach zwei Akten mit verschwindet.
Eines muss der Regie zugestanden werden: Der Untergang ist gekonnt in Szene gesetzt, was beeindruckt. Die Zuschauer haben ihren Spaß an den Blubbs der Versunkenen, die auf Tauchstation lustig weiter feiern, erlöst von gesellschaftlichen Schranken und politischen Problemen. Probleme völlig anderer Art aber gab es offenbar für den Regisseur oben an Bord, wo ihn nur allzu oft die Phantasie entschwand, was genau genommen überrascht, da sich die szenische Gestaltungsweise doch wunderbar aus der Musik heraushören lässt. Warum bleibt während der Zwischen- und Nachspiele so oft die Bühne leer? Wären da nicht die raffiniert effektvollen Klangfolgen, die sich sofort ins Ohr einnistenden Motive, keiner im Theatersaal würde glauben, dass „Die Blume von Hawaii“ einst als Revueoperette die Welt eroberte. Die Leere hat aber auch gar nichts mit zeitgemäßem Regietheater zu tun, wie manche Besucher in der Pause vermuteten und ihre Unzufriedenheit zu erklären suchten. Man fragt sich weiter, warum Jim Boy, der Jazzsänger, als pathologischer Fall behandelt wird, wenn ihm Schmetterlinge in den Bauch fliegen, und er deshalb nicht anders kann, als zu singen: „Ich muss Mädeln seh’n!“ Wen wundert es da noch, dass es keinen Nachwuchs gibt, der uns die Rente erarbeitet!
Im Programmheft schreibt Christian von Götz von dem „wild imaginierten Sex-Appeal“ während der Aufführungen, die Abraham selbst dirigierte. Davon kommt in Leipzig zu wenig über die Rampe. Seine Lichtregie erinnert an Schützenhäuser, wo es neben weißem Licht nur rote und grüne Scheinwerfer gibt. Die Schluss-Gestaltung der Operette verlief eigentlich blamabel. Ein Geck besonderer Art war das auf keinen Fall. Das Publikum blieb im Unklaren darüber, ob das Stück nun das Ende erreicht hat oder nicht. Jubelnder Applaus kam nicht auf, was für Lindenau-Premieren bisher eigentlich nicht typisch war.Ausstattung und Maske Die Kostüme von Mike Hahne sind genauso stumpf und nichts sagend wie seine Bühnenausstattung. Auch Maskenbildner Peter Barthel erbrachte den Nachweis, dass ein Make-up und übergestülpte Perücken nicht unbedingt den verlangten Ausdruck von Gesichtern unterstreichen helfen. Die Choreografie gestaltete alle Bewegungsabläufe auf möglichst kleiner Fläche, sehr steril, sehr mechanisch, introvertiert und ohne Ausstrahlung. Begeisterung lösten die Tänze nicht aus, wofür die Tänzerinnen und Tänzer aber keine Schuld trifft. Sie führten korrekt aus, was ihnen gesagt wurde. Das ständige Schwenken von Armen und Händen, auch wenn es für Hula-Tänze typisch sein soll, langweilte mit der Zeit. Es ist eben nicht immer alles gut, was nachkommt. Der Solist auf Seiten der Matrosen war mit seinem Part offenbar überfordert, er wirkte verkrampft und löste sich erst wieder, als er in die Gruppe zurücktreten durfte. Warum wird er im Programmheft nicht genannt? Darstellerinnen und Darsteller Der Gesang aller Akteure erreichte ein achtbares Niveau. Da jeder Ton über den Verstärker lief, brauchte sich keine Stimme überanstrengen. Sinn oder Unsinn einer solchen Anlage innerhalb eines künstlerischen Geschehens soll allerdings hier nicht zur Debatte stehen. Die Sprechdialoge aber klangen auf alle Fälle zu laut, ganz abgesehen von den infolge Übersteuerung auftretenden Pfeiftönen gegen Ende der Vorstellung. Aber daran hat sich der Gegenwartsmensch inzwischen gewöhnt und nimmt es nicht tragisch.Christina Bath stand als mädchenhaft schlanke Prinzessin Laya von Hawaii auf der Bühne, etwas Grandezza mehr hätte nicht geschadet. Ihr komödiantisches Talent offenbarte sich erst unter Wasser, wo ihr das Schwipslied Gelegenheit bot, sich als frappante Sängerdarstellerin zu beweisen.Birger Radde, auf der Bühne ein hoch gewachsener Prinz Lilo-Taro, bereits als Kind Prinzessin Laya angetraut, gilt im Alltagsleben laut Besetzungsliste noch als Student der hiesigen Hochschule für Musik und Theater, was keinesfalls als leistungsmindernd verstanden werden soll, im Gegenteil: Ökonomisch setzte Birger Radde die Mittel seines geschmeidigen Tenors ein, wobei er auch darstellerisch zu überzeugen wusste; ungünstig sein Kostüm und die Maske als Hawaiianer. Heinz Hartel erweckte Aufmerksamkeit durch tenoralen Glanz. Beate Gabriel ließ Bessie Worthington sowohl stimmlich als auch darstellerisch zum Biest entarten. Wenn die Gabriel auftrat, beherrschte s i e die Szene.Katja Kriesel legte die Rolle einer jungen Hawaiianerin gekonnt gegenwärtig an, weniger Hula-Mädchen, mehr Studentin in spe, keine Gelegenheit auslassend, geilen Männern das Geld aus der Tasche zu ziehen, so ganz nebenbei und ungerührt; denn sie will unbedingt studieren.Milko Milev ,als Jazzsänger Jim Boy stimmlich und darstellerisch sehr beweglich, hätte an Schärfe gewonnen, wenn die Tragik, die seiner Rolle innewohnt, zum Ausdruck gekommen wäre.Alexander Voigt, auch er Student an der Musikhochschule, verkörperte die Gestalt des Kaluna, der auf dem Schiff als Keyboard-Unterhalter agiert, auf Hawaii aber die monarchistische Untergrundbewegung anführt. Treffend seine Charakterisierung, ausdrucksvoll der Gesang. Karl Zugowski , der exzellente Sprecher des Hauses, stellte den amerikanischen Gouverneur von Hawaii dar: grantig, großschnäuzig, mauzig. Diese Figur hätte ein Kabinettstück werden können, leider war sie zu einseitig angelegt. Andreas Rainer spielt und singt den Sekretär des Gouverneurs, der mehr in Bessie verliebt und weniger der Diener seines Herrn ist. Er würzt das Ganze mit masochistischen Eskapaden, was sehr drollig wirkt und erheitert.

Die neue Leitung des Hauses in Lindenau sollte das Ohr am Publikum haben, damit hier nicht das passiert, was Leipzig schon einmal am Augustusplatz erleben musste. Das ist kein Kassandraruf, sondern das Ergebnis von Beobachtungen auf der Bühne, im Theatersaal und im Foyer während der Premiere zu Paul Abrahams „Blume von Hawaii“ 2004 in Leipzig.

Die Blume von Hawai

Operette von Paul Abraham
Musikalische Leitung: Christian Hornef
Regie: Christian von Götz
Choreographie: Mirko Mahr
Chor und Ballett der Musikalischen Komödie
Orchester der Musikalischen Komödie

Koproduktion mit dem Volkstheater Rostock

Musikalische Komödie im Haus Dreilinden
Premiere am 27. März 2004


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