Zauberhaft – eine Leipziger Inszenierung des „Kalif Storch” (Britta Paasche)

Kalif Storch
11. Juni 2004
Lofft

Inszenierung: Helene Krumbügel, Ulrike Lykke Langer
Tanz: Konstanze Büschel, Ronny Metzker, Michael Veit
Puppenspiel: Judith Weidmann
Percussion: Mark Lupescu
Eulchen: Lotte Unckell und Fine Simonsen von der Tanzgruppe der Kleinen Schlosserei

Zauberhafter Märchenzauber

Die Theaterstätte am Lindenauer Markt ist gut besucht an diesem sommerlichen Freitag Nachmittag. Zur Premiere von „Kalif Storch“, der Koproduktion der Theatergruppe ciacconna clox mit dem LOFFT, haben sich Menschen im Alter von 1 1/2 bis 65 eingefunden. Bis zum Einlass füllt die unbeschwerte Aufgeregtheit von Kindern das Foyer.

Frei nach dem Märchen von Wilhelm Hauff erzählen drei Tänzer, eine Puppenspielerin, ein Percussionmusiker und ein „Eulchen“ die Geschichte vom Kalifen Chasid und seinem Großwesir Mansor. Wie auch im Märchen arbeitet die Inszenierung mit einer Rahmenhandlung. Als fahrende Kaufleute betreten und verlassen die Spieler die Bühne. Einfache Requisiten wie ein Rucksack, eine Umhängetasche oder ein über der Schulter getragener, zusammengerollter Teppich markieren den Status der Figuren. Gekleidet in zumeist helle Hosen und Hemden laufen sie, begleitet vom Klang verschiedenster Percussioninstrumente, über die Bühne. Das Motiv der reisenden Karawane wird im Verlauf der Inszenierung immer wieder aufgegriffen und dient so, einzelne Szenen voneinander zu trennen.

Die eigentliche Geschichte beginnt, wie sich dass für ein richtiges Märchen gehört, mit einem „Es war einmal“. Erst abwechselnd von jeweils einem Spieler gesprochen weitet sich – einer Beschwörungsformel gleich – die Eröffnungssequenz zu einem chorischen Sprechgesang: „Es war einmal der Kalif Chasid und sein Großwesir Mansor.“ Mit dem Überziehen einer orientalisch seidigen Weste bzw. dem Anlegen einer Bauchbinde werden aus den Eben-noch-Kaufleuten Michael Veit und Ronny Metzker der Kalif und sein Großwesir. Müßiggehend sieht man sie, sich die Zeit mit Schachspiel und Raufereien vertreiben.

Die in der nächsten Szene eingeführte Hexe fungiert als Erzählerfigur. Sie tritt an die Stelle des im Märchen Hauffs auftretenden bösen Zauberers. Wie er ist sie es, die die Geschichte vorantreibt. Judith Weidmann verkörpert die Puppen-Hexe. Mit der rechten Hand führt sie unter dem weiten lilafarbenen Umhang den Kopf derselben (liebevoll gestaltet, natürlich mit der hexenobligatorischen Warze am Kinn) und leiht ihr gleichzeitig die eigene behandschuhte linke. Als erstes stellt die Hexe klar, dass das mit dem Es-war-einmal großer Quatsch sei, denn den Kalifen gibt es noch immer und er ist es, der dem Glück ihres Sohnes Mizra im Wege steht. Nach ihrem Wunsch soll nämlich Mizra Kalif werden und die schöne Prinzessin heiraten. Als die Hexe mit lauten Donnerwetter-Rufen ihren Zauberstab zu suchen beginnt, um die bösen Pläne in die Tat umzusetzen, dringt ein kleines ängstliches Kinderweinen aus dem Publikum auf die Bühne. Doch Angst haben, muss hier keiner. Judith Weidmann kommt unterm Hexenumhang hervor und führt die Puppe fortan so, dass sie selbst dabei sichtbar bleibt. Sensibel lässt sie die Hexenpuppe das Weinen aufnehmen, entlockt ihr ein selbstmitleidiges Schluchzen über die benachteiligte Stellung ihres Mizra und macht aus der furchterregenden Hexe eine sich liebevoll sorgende Mutter.

Und sowieso scheitert der erste Versuch, den Kalifen in eine Salzsäule zu versteinern. Aus Rache verzaubert die Hexe jedoch die Prinzessin Lusa. Klug hat die Dramaturgin Ulrike Lykke Langer so die im Märchen nur retrospektiv berichtete Verwandlung der Prinzessin dramatisiert. Zauberspruch ausgesprochen und schon windet und tanzt sich die schöne Prinzessin zu einer glubschäugigen Eule. Zusammengekrümmt rollt sich die Tänzerin Konstanze Büschel von der Bühnenmitte und an ihrer statt rollt ein als Eulchen kostümiertes Mädchen herein. Das Eulchen trägt einen grauen Mantel und eine mit Federn, einem Schnabel und einem goldenen Krönlein verzierte Kappe. Reizenderweise nimmt die kleine Eule bis zu ihrem nächsten Auftritt in der ersten Reihe bei Mutti auf dem Schoss Platz.

Der Kalif und sein Großwesir werden durch ihre Neugier Opfer der Hexe. Der Versuchung ein Zauberpulver zu probieren, mit dem man sich in jedes Tier verwandeln und dessen Sprache verstehen kann, können sie nicht widerstehen. So werden sie zu Störchen und belauschen das als wunderbar amüsantes Puppenspiel umgesetzte Gespräch zwischen Störchin Langbein und Störchin Klapperschnabel. Die beiden amüsieren sich prächtig und so ist die Warnung, ein Lachen genüge, um das zur Rückverwandlung nötige Zauberwort „mutabor“ vergessen zu machen, schnell verflogen. Sie lachen und nun ist der Kummer groß: „Mu, mu, mu wie heißt du Zauberwort? Das Gelächter riss dich hinfort.“

Ob sie es schaffen ihre menschliche Gestalt zurückzuerlangen und ob auch aus der Eule wieder eine Prinzessin wird? Wie es sich für ein richtiges Märchen gehört, braucht es zur Erlösung natürlich die Liebe. Erst nach dem Versprechen des Kalifenstorches die Prinzessinneneule zur Frau zu nehmen, fügt sich zu dem „mu“ auch das „tabor“ und macht die Rückverwandlung möglich.

Die Verknüpfung von Tanz, Schau- und Puppenspiel gelingt auf poetische Weise und wird noch verstärkt durch die Rhythmen und Klänge, die der Percussionist Mark Lupescu den manchmal rätselhaft anmutenden Percussioninstrumenten zu entlocken versteht. Großer Applaus belohnt denn auch zu Recht diese zauberhafte Inszenierung von Helene Krumbügel und Ulrike Lykke Langer.

(Britta Paasche)


Nächste Vorstellungen: 12. und 13.06.2004

Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.