Ich liebe es! Morgan Spurlocks Dokumentarfilm „Super Size Me” (Maike Schmidt)

Super Size Me
USA 2004, 100 min, Dok.
Regie, Buch, Darsteller: Morgan Spurlock
Kamera: Scott Ambrozy
Schnitt: Stela Gueorguieva, Julie „Bob“ Lombardi
Kinostart: 15. Juli 2004

(Bilder: Prokino)
Fettleibiger Ronald McDonald

Morgan Spurlock saß Thanksgiving nach dem Essen vor dem Fernseher, sah einen Bericht über zwei dicke Mädchen, welche McDonald’s verklagen wollten, und überlegte sich Folgendes: es wäre doch eine recht lustige Idee, einen Film zu machen, der offensiv die Fett-Epidemie in Amerika anklagen und gleichzeitig eine Art Tagebuch darstellen würde, ein Tagebuch, dass in seinen Notizen den gesamten Speiseplan dieses verklagenswerten Fastfood-Riesen beinhalten würde. Gedacht, getan: Die Idee und somit der Plan stand und ist im Ergebnis in Super Size Me zu sehen. (Super Size = preiswerte, extra-große Variante eines McDonald’s-Menüs.) Was sehen wir: Morgan Spurlock, wie er sich einen Monat lang ausschließlich von Big Mäcs, Milchshakes und Pommes ernährt. Dies verpackt mit einigen Anmerkungen zu der oben erwähnten Klage, dem katastrophalen Angebot an Essen in amerikanischen High Schools, vielen Bildern von fettleibigen Menschen und aussagelosen Erklärungsansätzen von Experten – schon ergibt dies Innovation im Sinne eines Michael Moore. So will es jedenfalls manch einer sehen.

Nun, irgendwie ist es schon eine recht merkwürdige Idee, sich einen Monat lang mit Fastfood voll zu stopfen, um herauszufinden, ob sich all die bösen Nachwirkungen, von denen man immer so hört, wirklich am eigenen Körper bestätigen lassen. Aber gut… Doch noch merkwürdiger ist die Idee, darüber einen Film zu machen, also ein Thema in den Mittelpunkt zu stellen, das uns in seiner Problematik nicht wirklich neu erscheint. Fastfood ist böse, macht dick, krank, hat aber einen willigen Absender, die größte Fastfood-Kette der Welt: McDonald’s. Dies ist dann nun auch Angriffspunkt des Filmes, das allen so gut bekannte überall anzutreffende mit einem lustigen Clown als Maskottchen ausgestattete Schnellrestaurant, welches mit seinem übergroßen „M“ Vielen zur reinen Freude gereicht. Was einem dort aber noch gereicht wird, ist in seiner letzten Ausprägung alles andere als die reine Freude. Ein paar Fakten, mit denen der Film gerne und viel um sich schmeißt: 37% der Amerikaner sind übergewichtig – dies ist neben Rauchen die zweithäufigste vermeidbare Todesursache, jeden Tag essen weltweit ca. 46 Millionen Menschen bei McDonald’s – neben Fettleibigkeit ist Diabetes die große, das Gesundheitssystem belastende Krankheit, welche die normale Lebenszeit um 17 bis 27 Jahre verkürzen kann? Und überhaupt, Morgan Spurlock ist nach seinem Big Mäc-Selbsterfahrungstrip richtig doll krank geworden an der Leber, am Cholesterin und an der Seele. Für diesen letzten Punkt wird sich dann auch richtig Zeit genommen, angefangen von leichten Depressionen bis hin zu Todesängsten, bei denen selbst dem doofen Clown die Tränen kommen würden. Hier findet dann der angeblich top-satirische Film nun auch sein abruptes Ende. Das verwundert, da Spurlock seinen „fetten“ Ausnahmezustand zwar recht ernst nimmt, aber sich kaum die Mühe gemacht hat, einen Ausgleich hervorzurufen, nämlich einen McDonald’s-Vertreter der höchsten Instanz vor die Kamera zu bekommen, um ihm die ungeklärten Fragen an den Latz zu knallen, die sich aus dem vierten und letzten Gesundheits-Check ergaben, der erschreckend war und fast den ganzen Film boykottiert hätte – so wie man es eben von Michael Moore kennt.

Auch wenn es durchaus legitim ist, einer aktuell beliebten Filmform seinen eigenen Anstrich zu geben und in gut 100 Minuten einen weiteren Teil der amerikanischen Kultur anzugreifen, so wirkt dies doch zu sehr gesucht als wirklich gefunden. Zu willkürlich wird eine objektive Seite angestrebt und bleibt dann doch in reiner Subjektivität stecken. Gerade die verschiedenen Gesundheitsprüfungen, welche den Film einklammern, stehen hierfür. Damit sei ihm durchaus nicht gänzlich ein innovatives Moment abgesprochen, doch wird es durch zu augenscheinliche Konvention gebrochen (Zeichentrickeinspielungen kommen einem schon bekannt vor etc.). Hier wäre die Super Size-Version vielleicht schmackhafter gewesen. Aber die gibt es jetzt sogar bei McDonald’s nicht mehr.(Maike Schmidt)

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