Abgestanden: Das Kabarett NingDongs auf der Leipziger Lachmesse (Babette Dieterich)

Kabarett NingDongs
„Ihr sechster Sinn“
Frosch Café, im Rahmen der Lachmesse
8.10.2004

Altbackenes Studentenkabarett

Sechs Jahre spielen die NingDongs bereits zusammen und begeben sich aus diesem Anlass auf die Suche nach dem sechsten Sinn. Ihrer Meinung nach sei das der Wahnsinn. Was man auf der Bühne zu sehen bekommt, ähnelt jedoch eher einem anderen Sinn, dem Stumpfsinn. Da werden alte Rollenklischees bemüht, die Frau hat sich gefälligst zwischen ihren drei K’s zu tummeln, und auch die politischen Aussagen bleiben vage: Bei Rot sieht man schwarz, und wenn man Schwarz wählt, sieht man rot. Aha.

Sechs Jahre spielen die NingDongs bereits zusammen und man wünscht ihnen, dass sie mit einem Auge von außen arbeiten, sprich Regisseur. Zu viel erinnert bei diesem als „DAS aufstrebende Kabarett des Ostens“ angepriesene Ensemble noch an wohlwollendes Studentenkabarett. Die Mimik der meisten Protagonisten beschränkt sich auf maximal drei Ausdrucksmöglichkeiten. Zu oft stehen die Personen auf der Bühne und sagen ihren Text her. Wenn dieser wenigstens pointiert wäre, würde man ihnen das noch verzeihen. Doch wie gesagt, die politischen Aussagen bewegen sich in einem Nebelgebiet oder ruhen sich auf Allgemeinplätzen aus: „Fragen in großer Zahl, tägliche Qual der Wahl. Entscheiden soll ich mich, Hilfe krieg ich nich.“ So die Aussage eines der Songs, die sich mit den Szenen innerhalb einer stink normalen Bürgersfamilie abwechseln. Nun gut, das drückt eine allgemein verbreitete Befindlichkeit und Hilflosigkeit aus, die nicht nur für Ostdeutschland charakteristisch ist. Aber vielleicht wollen die NingDongs auch keine Antworten geben, sondern eben Fragen aufwerfen.

Und bei diesem Programm stellen sich eine Menge Fragen, zum Beispiel die Frage nach der Zeit. Wann spielen diese Szenen einer Durchschnittsfamilie? Mit diesem antiquierten Denken wohl eher in den 50er Jahren. Der Humor erinnert gewaltig an ein großes Vorbild der NingDongs: Herricht & Preil. Da wundert es nicht, dass Mitglieder des Kabaretts den beiden Komikern ein eigenes Programm gewidmet haben. Der nächste Herricht & Preil-Abend findet am 31.10. im Frosch Café statt. Und noch mehr Fragen: Wie alt sollen die beiden „alten“ Damen sein, die sich kichernd über Kreuzfahrtamouren unterhalten? Ein netter Gag ist es, wie sie sich nach Frischfleisch im Publikum umschauen, aber unrealistisch und unklar in der Aussage bleibt die ganze Szene. Geht es darum, dass modernes Altsein nicht gleich tote Hose bedeutet? Oder wird einfach nur der Effekt ausgenutzt, dass eben alte Damen über, hihi, ihr Sexualleben reden?

Lichtblicke im Programm sind die Bettszene zwischen Herrn und Frau Bleschke, dabei hilft ungemein das Dauerthema „Liebst du mich?“, eine Frage, die häufig zum falschen Zeitpunkt gestellt wird. Sehr gelungen: Die Reich-Ranicki-Persiflage über ein Tagebuch. Da hätte man nur ein passenderes Requisit aussuchen sollen, ein Tagebuch eben, oder ein handschriftliches Manuskript, aber nicht irgendeinen Roman, dessen Titel die erste Reihe mit Kopfverrenken versucht zu entziffern. In Punkto Requisiten und Kostümauswahl wäre ebenfalls ein Auge von außen nötig. Was den Gesang betrifft, so sticht Christiane Zetzsche mit ihrer teilweise jazzigen Stimme hervor. Spielerisch überzeugen am meisten Herr Bleschke (Nando Lierath) und Hausmeister Baslewski (Andreas Brohm).

Weitermachen, und zwar mit mehr Regie! Das kann man den NingDongs nur wünschen. Und traut euch, klarere Aussagen zu machen. Selbst die Schlusspointe bleibt in der Nebelzone: „Alles bleibt anders.“ Nun gut, das erinnert außerdem ein wenig an Grönemeyer. Bleibt alles anders, oder?

(Babette Dieterich)

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