Der etwas andere Grand Prix: Carolin Fischer auf der Lachmesse (Babette Dieterich)

„Euro kommt – Visionen“
Examenskonzert von Carolin Fischer im Rahmen der Lachmesse
Krystallpalast Varieté
Mo, 11.10.04, 20 Uhr

Grand Prix mit Stimme und Komik

Sie singt. Und wie sie singt. Wer das Fräulein Fischer bisher „nur“ aus Produktionen der academixer kennen und lieben gelernt hatte als schwäbelnd, komisch und gewitzt, dem schlackern nach diesem Programm die Ohren. Das Fräulein Fischer singt, dass es eine Lust ist zuzuhören. Wobei sie nicht auf ihr komisches Talent verzichtet. Doch um beide starken Seiten, den Gesang UND die Komik, in diesem Programm unterzubringen, hat sie eine elegante Lösung gefunden.

Das Konzept des Abends ist klar strukturiert: Der erste Grand Prix de la Chanson findet in Leipzig statt, zehn europäische Länder nehmen daran teil und schicken ihre Sängerinnen ins Rennen. Alle Kandidatinnen werden von Carolin Fischer, alias Carolina Pescatore, alias Caroline Fisher verkörpert. Mit sprühendem Charme und ekliger Dieter-Bohlen-Perücke moderiert Bert Callenbach den Abend. Bevor die Kandidatin ihr Lied singt, korrespondiert der Moderator mit der Hauptstadt des jeweiligen Landes. Und wir sind bei der Liveschaltung mit dabei und sehen den Gesprächspartner auf der Großleinwand. Ebenfalls Carolin Fischer, diesmal jedoch ganz in ihrem komödiantischen Element.

Der deutsche Beitrag wird von einer dröge sächselnden Dame angesagt, aus Holland blickt uns eine Antje mit Joint entgegen, die vor lauter Lachen nicht zum Sprechen kommt. Griechenlands Vertreterin ist ein Nana-Mouskouri-Verschnitt, die französische Ansagerin ist zunächst noch mit faire l’amour hinterm Vorhang beschäftigt und das Publikum johlt über den Schattenriss. Jeder dieser Kurzfilme ist eine gewitzte Klischeeschlacht, in der Carolin Fischers schauspielerisches Talent und ihre spontane, lebhafte Mimik voll zum Tragen kommen.

Ganz auf den Gesang konzentriert finden die Auftritte der jeweiligen Landeskandidatinnen statt. Carolin Fischer hat sich bei allen Gesangsnummern für ein einheitliches, schwarzes Outfit entschieden. Hier ist keine Kostümschlacht nötig, hier deutet sie die Unterschiede der Kandidatinnen nur durch die Art des Auf- und Abtretens an. Und durch die Art, wie sie singt. Und wie sie singt, das überzeugte nicht nur die Jury der hiesigen Musikhochschule, die dieses Examenskonzert bewerten durfte. Carolin Fischer zieht gesanglich alle Register: Da kommen im griechischen Beitrag die großen Gefühle zum Tragen, gegen Ende sanft ironisiert, indem die Sängerin mit schmerzlichem Gesicht durch die Reihen geht und weiße Rosen ins Publikum wirft. Der finnische Beitrag, original finnisch gesungen, klingt flott und poppig. Großer Kontrast zur polnischen Sängerin, die ihr Land mit einem jazzigen, mit Cello begleiteten Beitrag vertritt. Frankreich hingegen zeigt sich doppelgesichtig mit arabischen Melismen und französischem Sprechgesang. Kontraste, wohin man hört und sieht.

Bei ihren musikalischen Beiträgen wird Carolin Fischer hervorragend unterstützt von einer Band unter Leitung von Ekky Meister. Der Tastenmeister ist auch für die ausgefeilten Arrangements verantwortlich. Mit von der Partie: Ein vierköpfiger Backgroundchor, bestehend aus Freunden und Mitstudenten der Sängerin. Insgesamt ein großes musikalisches und technisches Aufgebot (tolle Lichteffekte!), das nach Wiederholung schreit. Schön, wenn dieses Programm noch öfter im Krystallpalast gespielt werden kann.

Ganz überraschend gewinnt Deutschland den Wettbewerb mit seinem Beitrag „Kein schöner Land in dieser Zeit“. Da kann sich Carolin Fischer aber freuen, die Vertreterin unseres Landes. Und noch eine weitere Botschafterin der deutschen Musik rollt auf die Bühne: Joy Fleming. Im breiten Mannheimer Dialekt spricht sie über Körperfülle und Resonanz. Wer da nur in dem ausgestopften Kostüm steckt? Hut ab, Fräulein, oder besser: Frau Fischer!

(Babette Dieterich)

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