Keine Panik: Kabarett auf der „Titanic” (Babette Dieterich)

„Titanic“
Internationale Varietéshow
Krystallpalast Varieté
Donnerstag, 4.11.04


Fröhliches Sinken

Bei diesem Programm sinken wir doch gerne mit, auch wenn der Witz gelegentlich unter die Gürtellinie oder Geschmacksgrenze rutscht. Aber Reiner Schorlowsky, alias Maître Willi hält immer wieder einen verbalen Rettungsring in seiner Conference bereit. Mit ausdrucksstarker Mimik und großer Situationskomik geht er auf die Stimmung des Publikums ein, reagiert gewitzt auf Einwürfe und moderiert den Abend in einem galanten Plauderton. Ab und zu entgleitet ihm ein schlechter Witz („Werfen Sie die Arme hoch, aber nicht so, dass sie dann überall herumliegen.“), aber das geschieht dann zumeist mit viel Selbstironie und Augenzwinkern.

Steve Elekys Humor kommt eher aus dem Unterdeck der Titanic, wo der Schotte als Passagier dritter Klasse hingehört. Seine Comedy-Jonglage spaltet am meisten die Meinung des Publikums. Etwas zu lang, etwas zu flach, aber erstaunlich mutig, wie er es mit einer Reihe von Kindertricks (Daumen wegzaubern, u.ä.) schafft, das Publikum zum Johlen zu bringen. Dazwischen überzeugt er mit atemberaubender Jonglage, die er mit galantem Schottenrockheben würzt. Naja, Geschmackssache.

Ein völlig anderes Kaliber, was den Humor betrifft, bringt der Schiffssteward Gilles le Leuch, alias Antoine Gilles auf die Bühne. Seine Figur des etwas langsamen Stewards ist in jedem Kurzauftritt stimmig. Umso überraschender kommt dann seine Diabolo-Jonglage: Präzise, voller Witz und im Rhythmus perfekt abgestimmt auf die Klänge eines Wiener Walzers lässt dieser großartige Artist bis zu zwei Diabolos kreisen. Wer tanzt denn auch Walzer allein…

Caroline Schroeck überzeugt als elegante Gräfin am Trapez. Ein eigenwilliges, vielseitig einsetzbares Kleid, das am unteren Ende einem Spannbettlaken gleicht, in dessen Ecken die Gräfin gelegentlich ihre zarten Füße setzt, verleiht mit seiner Transparenz der Nummer einen zusätzlichen Reiz. Doch nicht das Kleid allein überzeugt: Caroline Schroeck bewegt sich kontrastreich, mal elegant, mal eruptiv und überschwänglich. Etwas unklar bleibt ihr zweiter Auftritt mit einem Waschtrog, der mit komischen Elementen arbeitet. Doch wo liegt das eigentliche Problem? Bleibt sie im Waschtrog stecken, zieht sie ihn als Rock an? Die Nummer wirkt etwas zu rasch konstruiert, es fehlen noch ein klarer Spannungsbogen und Pointen.

Natalia Bakun überzeugt in ihren beiden sehr unterschiedlichen Auftritten: In einem Kleopatrakostüm und ruhigen Bewegungen verbiegt sie sich bei der Kontorsionsakrobatik. Voller Schwung lässt sie bei ihrer Hula-Hoop-Nummer die Reifen kreisen. Die beiden Matrosen Vladimir Grinik und Alexander Sharkow runden das bunte Programm ab. Ersterer begann seine Karriere zunächst als Metallfacharbeiter, sein artistisches Interesse füllte zunächst nur seine Freizeit. Doch er verband die beiden Bereiche und tourt seit Mitte der 80er Jahre mit einer beeindruckenden Rola-Rola-Ballance durch die Welt. Die metallischen Rollen hat er natürlich selbst gefertigt. Alexander Sharkow beeindruckt das Publikum mit atemberaubender Handstandequilibristik in Zeitlupentempo.

Und all diese Nummern passieren auf der Titanic? Selbstverständlich, dank der Regie des Conferenciers Reiner Scharlowsky wird die Handstandequilibristik zum Materialtest eines Ausgucks, mutiert die Trapeznummer der Gräfin zum T?te-?-t?te an einem ungewöhnlichen Ort. Und als Running Gag dürfen Auserwählte des Publikums Ausschau halten nach Eisbergen, die sich als weiße BHs oder tortenförmige Hütchen auf dem Kopf des geduldigen Gilles tarnen. Neben einigen tief gesunkenen Witzen viel gelungene Situationskomik und überzeugende Comedy. Ebenfalls gelungen: Das Bühnenbild von Klaus Richter. Ein großes Bullauge ziert die Bühne, wird zum Rettungsring und am Ende, auseinandergeklappt, zu den Rettungsbooten. Auf dieser Titanic fahren wir doch gerne mit.

(Babette Dieterich)

Die Show läuft bis 30.1.05, Karten unter: 0341 / 14 06 60, kartenverkauf@krystallpalastvariete.de

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