„Shandurai und der Klavierspieler” – Bernardo Bertoluccis 1998 gedrehter Film kommt jetzt in die deutschen Kinos (Maike Schmidt)

Shandurai und der Klavierspieler
(L’assedio / Besieged)
Italien / England 1998, 93 min.
Regie: Bernardo Bertolucci
Buch: Clara Peploe & Bernardo Bertolucci, basierend auf einer Erzählung von James Lasdun
Kamera: Fabio Cianchetti
Darsteller: Thandie Newton, David Thewlis, Claudio Santamaria
Kinostart: 3. März 2005

Bilder: Alamode
Bertoluccis Lied der Verständigung

Wenn einem die richtigen Worte fehlen, um zu sagen, was man gerne sagen möchte, weil es gesagt werden muss – was kann man da tun? Und wenn der Gegenüber auch noch so anders in seinem Wesen, in seiner Kultur ist, dass ein Wort meist nur alles kaputtmachen würde, weil es falsch verstanden werden könnte – wie sich bloß dem verwehren? Wenn man gleich platzt mit den vielen Buchstaben im Kopf, die nicht zusammen passen wollen, wenn diese dann ganz plötzlich aus einem raussprudeln und sich wie eine Mauer zwischen dem einem und dem anderen positionieren – wie das wieder gutmachen?

Bernardo Bertolucci weiß Rat: Mit Musik. Denn was die Musik einem Menschen so erzählt, mit welcher Nuanciertheit sie so viel mehr sagt, als tausend Worte es wohl jemals könnten, mit welcher Kraft sie den Menschen in einen Sog reißt, der der Seele alles erklärt und nichts verheimlicht, das zeigt sein neuer Film Shandurai und der Klavierspieler.

Die Geschichte ist schnell erzählt: Es geht um zwei Menschen, die so unterschiedlich sind, wie man es im Kino schon lange nicht mehr zu sehen bekommen hat. Da ist Shandurai, eine junge Afrikanerin, deren Mann ein politischer Gefangener ist und die aus ihrer Heimat nach Rom geflüchtet ist, um Medizin zu studieren. Sie arbeitet als Haushälterin bei einem Herrn Kinsky, Engländer, der dieses Haus an der spanischen Treppe geerbt hat und hier zwischen angestaubten Kunstgegenständen ein ebenso verstaubtes, totes Leben führt. Er ist Klavierspieler, der nie öffentlich spielt und mit seiner klassischen Musik eine einsame Koexistenz lebt. Shandurai erweckt ihn aus dieser Lethargie, er verliebt sich in ihren so viel geballten Lebenswillen, versucht mit kleinen Geschenken ihre Aufmerksamkeit zu bekommen, doch sie weist ihn zunächst zurück – bis er nicht mehr kann und seine Liebe ihr entgegenbrüllt und sagt, er würde alles für sie tun, worauf sie erschreckt eine Forderung stellt: „Holen Sie meinen Mann aus dem Gefängnis!“ Bald verschwindet ein angestaubter Kunstgegenstand nach dem anderen aus dem Haus, und befreiend kann sich eine Beziehung zwischen ihnen aufbauen.

Dies wird mit Bildern, aber noch viel mehr mit Hilfe der Musik erzählt. Klassische Klavierstücke stoßen auf afrikanische Poplieder, scheinbar unüberbrückbare Gegensätze finden langsam zusammen. Sagt Shandurai am Anfang einmal: „Ich kann Sie nicht verstehen und ich kann auch Ihre Musik nicht verstehen.“ so lässt sich Kinsky inspiriert von ihrer Musik ein Klavierstück einfallen, dass ein Lächeln auf ihre Lippen zaubert – eine erste Annäherung. Diese Entwicklung zu hören ist wunderbar, zu sehen kriegt man warmes Licht und Farben, unaufdringlich, zurückhaltend, nur manchmal ausbrechend, um überleitende Momente visuell festzuhalten. Gesprochen wird nicht viel, die Schauspieler zeigen, was ihre Körper können und verweben diese mit der Musik. Und Bertolucci zeigt hier, wie er führen kann, wie er Bildkraft versteht und was Musik zu tragen vermag.

Und damit sei dies auch genug der Worte, denn die können manchmal nun doch nicht genug ausdrücken. Jedenfalls nicht, was diesen Film so reizvoll macht und warum man ihn sich nicht entgehen lassen sollte – das muss man schon selbst sehend hören.(Maike Schmidt)

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