„Der geteilte Himmel” von Konrad Wolf – die einst verbotene DEFA-Verfilmung des gleichnamigen Romans von Christa Wolf (Lina Dinkla)

Der geteilte Himmel
DDR 1964, 110 min.
Regie: Konrad Wolf
Drehbuch: Christa und Gerhard Wolf, Konrad Wolf, Willi Brückner, nach dem gleichnamigen Roman von Christa Wolf
Darsteller: Renate Blume, Eberhard Esche, Hilmar Thate, Hans Hardt-Hardtloff, Erika Pelikowsky, Martin Flörchinger, Sprecherin: Lissy Tempelhof
Schaubühne Lindenfels, 2. Februar 2005
Reihe „Spurensuche Filmgeschichte“

Plakatmotiv: Progress
Ohne Kitsch und PropagandaDer geteilte Himmel ist eine getreue Verfilmung des gleichnamigen Romans von Christa Wolf, eine ruhig erzählte, tragische Liebesgeschichte, die sich unter dem Vorzeichen der deutsch-deutschen Teilung ereignet. Erzählt wird die Geschichte in chronologischen Rückblenden aus der Sicht von Rita, die sich zur Erholung im Sanatorium befindet und an die Ereignisse der vergangenen zwei Jahre erinnert, 1959 und 1960.

Rita und Manfred sind ein frisch verliebtes Paar, dem alle Wege der Welt offen zu stehen scheinen. Manfred holt Rita vom Land zu sich nach Halle, er verschafft ihr ein Praktikum im Betrieb, in dem auch sein Vater arbeitet und unterstützt sie in ihrem Entschluss, Lehrerin werden zu wollen. Sie leben ganz romantisch in einem Dachzimmer im Haus seiner Eltern und alles scheint gut für sie zu laufen.

Doch es wird immer deutlicher, dass das Leben stärker ist als ihre Liebe. Ihre unterschiedlichen Ansichten über die politische Situation der beiden deutschen Staaten, stellt vor allem Ritas Liebe immer wieder auf die Probe. Manfred ist ein zweifelnder mit den Umständen in der DDR unzufriedener junger Mann. Er ist als Chemiker tätig und muss ein ums andere Mal feststellen, dass sein neu entwickeltes Verfahren im Betrieb aus politischen Gründen nicht anerkannt wird. Zudem streitet er sich oft mit seinem Vater, der – ehemals überzeugter Nazi – nach ein paar Wochen das Parteiabzeichen der SED am Revers stecken hatte. Manfred kann mit der kollektiven Ausrichtung des neuen Staates nichts anfangen. Ihm ist die eigene Karriere wichtiger ist als das kollektive Gut, er geht in den Westen und lässt seine Liebe zurück.

Rita hingegen ist die DDR-Bürgerin neuen Typs. Sie beurteilt die Situation zwar durchaus kritisch und verurteilt die willkürliche und durch keine Logik zu erklärende Behandlung, die einer Kommilitonin wiederfährt. Aber sie ist bereit, mit aller ihr zu Verfügung stehenden Kraft dem Sozialismus zu dienen. Insgesamt betrachtet ist sie sich auf dem „richtigen“ Weg. Ihr innerer Konflikt wird daran veranschaulicht, was sie bei ihrer Arbeit im Waggonwerk erlebt. Hier freundet sie sich mit dem alten Werksleiter Meternagel an, der von Manfreds Vater in einer ziemlich hinterhältigen Art hintergangen wurde und seinen Platz räumen musste. Rita spricht ihm Mut zu, den Mund aufzumachen. Und mithilfe ihrer Unterstützung kann er seine Idee verwirklichen, das Plansoll höher anzusetzen. An diesem konkreten Beispiel tritt die Lage deutlich zutage, in der sich die junge DDR zu dieser Zeit befindet: unmotivierte Arbeiter, die sich nicht dazu durchringen können, mehr zu arbeiten als sie müssen, um den Staat, in dem sie leben, voranzubringen.

Das Schicksal von Ritas und Manfred Beziehung wird immer wieder durch ihre Behausung, das Dachzimmer, bildlich eingefangen: der Regen prasselt aufs Dachfenster, es wirkt wie eine sichere Höhle; Rita entwirft später die Metapher vom Leuchtturm, der den Schiffen um sie herum Geleit gibt und in den sicheren Hafen führt. Doch das Ende ihrer Beziehung ist nicht aufzuhalten, als Manfred sich für seinen beruflichen Erfolg in den Westen absetzt. Rita folgt ihm zwar kurze Zeit später, doch die kalte und unpersönliche Atmosphäre, die sie dort erlebt, lässt sie zurückehren.

Einzig die Darstellung West-Berlins ist etwas übertrieben klischeehaft geraten, mit blasiert blickenden Oberkellnern; reiche Warenwelt kontra Zusammengehörigkeitsgefühl. Es ist nicht zu verkennen, für welche Seite Rita sich entscheidet.

Der Film kann auf mehreren Ebenen gelesen werden, was ihn sicherlich bis heute zu einem wichtigen filmischen Erbe der DDR macht. Zum einen gibt es die eher oberflächlichere Liebesgeschichte, die der Teilung der beiden deutschen Staaten zum Opfer fällt. Auf der anderen Ebene spiegelt der Film doch sehr gut und genau die Umstände der damaligen Zeit, vor allem aus Sicht der DDR, wieder. Es ist eine ziemlich deutliche Erklärung für die Legitimität des sozialistischen Staates der DDR. Allerdings hält Wolf sich mit propagandistischen Mitteln jedweder Art angenehm zurück und er zeigt unaufdringlich, fast distanziert in recht simplen Zusammenhängen das deutsch-deutsche Dilemma auf.

Es ist also alles andere als ein regimekritischer Film – Der geteilte Himmel hat ganz klar eine pro-sozialistische Aussage -, trotzdem wurde der Film kurz nach der Premiere wegen „eindeutig anti-sozialistischer Tendenzen“ von der staatlichen Zensur aus dem Verkehr gezogen. Passend zu einer Zeit, in der die recht liberale Kulturpolitik wieder zurückgenommen und gegen die DEFA-Produktion wieder eine schärfere Zensur eingeführt wurde.

Aus heutiger Sicht schafft es Konrad Wolf, die Gratwanderung zwischen den beiden Seiten wunderbar zu halten. Es wird weder für die eine noch die andere übertrieben Partei ergriffen, wobei er zwar eher den Weg Ritas als den richtigen vorschlägt – dies aber keineswegs schulmeisterlich unglaubwürdig, sondern immer mit dem Hinweis auf das Schicksal des Lebens.

Der Film besticht durch eine höchst eigenwillige und ungewöhnliche Ästhetik, die zum einen der brillanten Montage und zum anderen dem leicht verwaschenen Schwarz-Weiß der Bilder zu verdanken ist. Die melancholische Stimmung wird meisterhaft eingefangen und die Zerrissenheit Ritas deutlich vermittelt. Im Gedächtnis bleiben Bilder von der Saale, die Blicke aus dem Dachfenster über die Stadt – das kleine private Glück wird in den Zusammenhang mit dem großen ganzen gestellt, verliert und wird darin zerrieben. Die zwischen Lähmung und Aufbruch wechselnde Atmosphäre der Zeit überträgt sich in beklemmender Weise auf den Zuschauer.

Doch in keinem Moment rutscht es ab in etwas Kitschiges, dafür sorgt der nüchterne Off-Kommentar, der aus einer Überblickssicht die Dinge beschreibt. Die rückblickenden Erinnerungen sagen: alles ist schon passiert. Das Ende der beiden Figuren ist unausweichlich, das ist dem Zuschauer von Anfang an unmissverständlich klar, und es gibt keinen Raum für unpassende Sentimentalitäten.(Lina Dinkla)

Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.