„NVA”, der neue Film von Leander Haußmann (Kathleen Nordt)

NVA
Deutschland 2005, 98 Min.
Regie: Leander Haußmann
Drehbuch: Thomas Brussig, Leander Haußmann
Darsteller: Kim Frank, Oliver Bröcker, Detlev Buck, Jasmin Schwiers
Kinostart: 29 September 2005

Fotos: DelphiEine Armee besteht auch nur aus Menschen

Nach Sonnenallee (1999) ist NVA die zweite Komödie, an der Leander Haussmann und Thomas Brussig gemeinsam arbeiteten. Erneut wird das damalige Leben in der DDR, und dabei diesmal das der jungen Soldaten in der Nationalen Volksarmee thematisiert. Ab 1961 wurde jeder männliche DDR-Bürger, so auch Leander Haußmann, verpflichtet, 18 Monate Dienst in der Nationalen Volksarmee (NVA) zu leisten, um gegen Angriffe des „Klassenfeindes aus dem Westen“ gerüstet zu sein.

In seinem Film NVA zeichnet Haußmann nun ein Bild von einer Armee, die bis zum Ende versuchte, Disziplin, Entschlossenheit und Durchsetzungskraft zu demonstrieren, obwohl sich hinter der Fassade oft komische und bizarre Szenen abspielten und die Moral der jungen Soldaten teilweise zu wünschen übrig ließ. So besitzt jeder Charakter zwei Seiten, ein öffentlich-kühles und ein herzlich-normales Gesicht. Die vermeintliche Strenge und die anscheinende Gefühllosigkeit der Befehlshaber werden von unterhaltsamen Episoden ihrer menschlichen Schwächen durchbrochen, die in vielen Situationen für eine humorvolle Szenerie sorgen. Beispielsweise endet der Mangel an einfachsten mathematischen Grundfertigkeiten des Munitionsbeauftragten am Ende in einem Feuerwerk.

Neben diesen Episoden aus der Führungsetage der NVA stehen vor allem die Soldaten Henrik Heidler und Krüger im Mittelpunkt des Geschehens. Beide können sich mit den Zielen der NVA nicht identifizieren und versuchen jeder auf seine Art die 18 Monate einfach nur zu überstehen. Henrik ist Romantiker und findet seine Zuflucht in der Liebe. Von seiner Freundin Eva verlassen, verliert er bei einem unfreiwilligen Bad nach einem Gasmaskenübungsmanöver sein Herz an Marie. Wie der Zufall es will, ist sie die Tochter des Regimentkommandeurs Oberst Kalt, und Henrik kann alsbald seine erlernten Tarnkenntnisse unter Beweis stellen.

Krüger ist ein Rebell und sucht provokant die direkte Auseinandersetzung mit den Kommandeuren, aber auch mit den Entlassungskandidaten (‚Eks‘ – Soldaten im letzten Diensthalbjahr). Sein Ziel hatte Krüger fast erreicht, als er aufgrund eines von den Militärärzten festgestellten kaugummigroßen Tumors hinter dem Ohr aus der NVA entlassen werden sollte. Auf seiner Abschiedsfeier entlarvt ihn Unteroffizier Aurich jedoch als Simulant. Zur Erziehung wird Krüger in die Strafeinheit Schwedt versetzt, von wo er als funktionierender Soldat zurückkehrt und seine Pflichten noch gewissenhafter erfüllt als der armeebegeisterte Soldat Stadlmair, der mit Begeisterung in der dritten Generation dient, solange auf dem Kasernengelände nur irgendwo eine Badewanne zu finden ist.

Am Ende wird sich im Herbst 1989 zeigen, wie erfolgreich die Erziehungsmaßnahmen der NVA waren und wie viele Soldaten aus Überzeugung dienten.NVA ist eine Komödie, die mit Wortwitz und einem brillanten Szenenbild überzeugt. Sie nimmt den Zuschauer mit hinter die Kulissen der Nationalen Volksarmee Ende der 80er Jahre und stellt deren Sinnhaftigkeit munter in Frage.
Die Aneinanderreihung vieler komischer Begebenheiten des NVA-Alltags und die einzelnen Geschichten der verschiedenen Figuren, die alle in 98 Minuten untergebracht werden müssen, lassen wenig Raum für Emotionen und eine tiefergehende Auseinandersetzung mit dieser Zeit. Die Dialoge bewegen auf den ersten Blick und in der Schnelle zum Lachen. Doch wird bei genauerer Betrachtung ihrer oft sarkastischen und ironischen Oberfläche neben dem vergnüglichen auch ein ernsthafter und kritischer Blick auf den NVA-Apparat eröffnet.(Kathleen Nordt)

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