Politischer Dokumentarfilm beim 48. Dokfestival Leipzig (Maike Schmidt)

48. Internationales Leipziger Festival
für Dokumentar- und Animationsfilm
3. bis 9. Oktober 2005www.dok-leipzig.de
Fotos: DOK Leipzig
1. Septemberweizen
2. Gundula
Gute Filme sieht man besser
Die Retrospektive zum politischen
Dokumentarfilm in Deutschland 1980-2005

Will man dem Dokumentarfilm wirklich böse sein, packt man ihn schnell in die Schublade des Elitären, des Politischen, weit weg von Unterhaltung, weit weg von einer Rezeption der entspannenden Art. Dass er so lange einen Ruf weg hatte, der sich landläufigen Vorurteilen des Kassengiftes anpasste, ist wenig verwunderlich. Zum Glück, so muss man sagen, hat sich dies in den letzten Jahren entspannen können. Filme wie Michael Moores „Bowling for Columbine“ taten hier ihr Übriges – dies auch unter einem politischen Verdikt, doch gepackt in unterhaltsame 120 Abendminuten. Nimmt man dies einmal auf und lässt den Blick schweifen über die wechselhafte, mannigfaltige Breite dokumentarischer Inhalte, ergibt sich schnell ein anderes Bild. So konnten gerade in den letzten zwei Jahren auf dem DOK Leipzig Sondereihen zum Thema Humor oder, wie dieses Jahr, Liebe präsentiert werden, die vermeintlich angestaubte Lehrformeln politischer Thematik entgegenstanden, was breiten Publikumszulauf nach sich zog.

Dass sich darauf aber nicht ausgeruht werden darf, wurde mit der diesjährigen Retrospektive zum Thema „Politischer Dokumentarfilm in Deutschland“ gezeigt, die einen sehr intensiven und durchweg interessanten Kanon bot, der in das gar nicht so schwierige und erst recht nicht langweilige Thema Gesellschaft und Politik eintrat. Initiiert und zusammengestellt vom Bundesarchiv-Filmarchiv konnte dem Leipziger Publikum ein weiter Bogen unterschiedlichster Themen geboten werden, Filme, die trotz vermeintlich begrenzter Halbwertzeit erstaunlich aktuell anmuten. Friedensbewegung, Rechtsextremismus, RAF, Aufarbeitung des ?Dritten Reiches‘, DDR-Alltag, die Wende und vieles mehr wurde in 23 Filmen thematisiert. Ein nahezu einmaliges Forum, denn diese Auswahl des politischen Dokumentarfilms, ist so gut wie nie zu sehen. Im Fernsehen keine Quoten, im Kino keine Besucherzahlen, eine durchweg mäßige Präsenz, die sich nicht anhand der Filme selbst erklären lassen kann, sondern allein begründet ist durch das Unbehagen der Medienverantwortlichen und dem immer wieder unterschätzten Glauben an ein differenziertes Publikum. Dabei könnte gerade das Fernsehen als die Bezugsquelle politischer Informationen ersten Ranges solche Filme zur Aufbereitung mancher heute aktueller Themen aufnehmen. Das dies so gut wie nicht geschieht, zeigt die Auswahl der in der Retrospektive gezeigten Filme, die vielleicht zu einem Drittel nur bekannt sein mögen, wie z.B „Starbuck- Holger Meins“ (Gerd Conradt, 2001), „Kinderland ist abgebrannt“ (Sibylle Tiedemann, 1997) oder „Septemberweizen“ (Peter Krieg, 1980).

Neben der Aufbereitung dieses seltenen Filmguts gab es auch noch etwas zu feiern: Die Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm, kurz AG DOK, beging ihr 25jähriges Bestehen, was 25 Jahre konsequente Förderung des unabhängigen Dokumentarfilms in Deutschland bedeutet. Mit über 750 Mitgliedern ist sie mittlerweile zum größten Berufsverband fernsehunabhängiger Filmschaffender geworden, bedeutende Regisseure wie Klaus Wildenhahn, Peter Krieg oder auch Thomas Riedelsheimer (Gewinner der Goldenen Taube im letzten Jahr für „Touch of Sound“) können in diesem Zusammenhang genannt werden. Das Bundesarchiv-Filmarchiv nahm dieses Jubiläum zum willkommenen Anlass, diesen hier in Form der Retrospektive angerichteten politischen Blick auf Deutschland zu werfen, was gleichzeitig bedeutete, einen Blick zu werfen auf 25 Jahre politische Entwicklung in ihrer Gänze, komplementäres Bild eines Vierteljahrhunderts gesellschaftlicher Tendenz.
Es bleibt zu gratulieren – der AG DOK zu 25 Jahren Idealismus und dem Bundesarchiv-Filmarchiv zu einer gelungenen Retrospektive.(Maike Schmidt)

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