Eugene O\’Neills „Ein Mond für die Beladenen” feiert Premiere in Leipzig (Carolina Franzen)

Eugene O´ Neill: Ein Mond für die Beladenen (Premiere)

Regie: Boris von Poser
Bühne und Kostüme: Katja Schröder

29.10.2005 Schauspielhaus Leipzig (Theater hinterm Eisernen)

Connecticut – connection cut. Oder wie es sich zweisam gut einsam leben lässt.

„A moon for the misbegotten“ ist der Originaltitel des Stücks und er verrät ein wenig mehr, als seine Übersetzung ins Deutsche. Denn es geht um „Außenseiter“, um „Missratene“ am Ende der Welt – in Connecticut. Die Familie Hogan. Oder besser gesagt das, was von den Hogans noch übrig ist, Josie und ihr Vater Phil. Mutter Hogan starb bei der Geburt ihres Sohnes Mike, der in der ersten Szene bereits die Flucht in die Welt ergreift, so, wie seine beiden älteren Brüder bereits vor ihm – es bleiben Josie und Phil.

Phil ist Pächter eines steinig-ertraglosen Grundstücks mit Hof, auf dem er mit Josie und den Schweinen lebt. Und wie „ihr“ Boden, so sind auch die beiden Hogans: herb, rau und hart zu nehmen. Vor dem brutalen Phil sind seine Söhne geflüchtet. Sie waren sowieso Nichtsnutze, meint Phil, kämen ganz nach der Familie ihrer Mutter, die als einzige aus ihrer Sippe etwas taugte – eine wunderbare Frau. Josie dagegen ist ein ganzer Kerl und kommt eindeutig nach Phil. Sie ist laut und so stark, dass sie ihrem Vater sowohl verbal wie körperlich Paroli bietet. Also leben Josie und Phil in zweisamer Zwietracht, und gestalten sich ihr Ende der Welt in einem Kräftemessen von Beschimpfung und gut gemeinten Böswilligkeiten. Auch wenn das schwer nachvollziehbar ist: den beiden geht es ganz gut, und auf ihre Weise haben sie sogar Spaß. Außerdem: so ganz allein sind die beiden doch nicht, denn da gibt es noch den ehemaligen Broadwayschauspieler und Alkoholiker James Tyrone jr. – ihren Verpächter. James, genannt Jim, ist der einzige Freund der Hogans, schäkert mit Josie, die sich gern niveaulos und freizügig zeigt, und säuft mit Phil.

Allerdings wartet Jim nur noch auf eine Erbschaft, um zum Broadway zurückzukehren, und Phil, der von einem guten Angebot weiß, bangt, trotz Freundschaft, um seinen Hof. Und weil der Hof Phils Existenz bedeutet, gibt es für ihn nur zwei Möglichkeiten: Josie muss Jims Frau werden, und wenn das nicht klappt, will er den Freund durch eine Intrige, wegen Unzüchtigkeit, ins Gefängnis bringen. Jim meint in Josie den weichen Kern entdeckt zu haben, und sie gefällt ihm, so stark und fraulich wie sie ist. Doch hinter seinem Säufertum steckt noch mehr, ein halbes Leben, das sich zwischen ihn und die Liebe schiebt. Auch Josie ist verliebt, doch kann sie Jims Zuneigung weder glauben, noch zulassen; schon zu lange versteckt sie sich hinter ihrer herben Fassade. Damit beginnt ein Liebe-Rache-Spiel zwischen den Dreien, das sie mit- und gegeneinander in einer Mondnacht ausleben, und das keiner als solches durchschaut, oder vielleicht doch?! Aber Liebe ist nicht gleich Liebe, und weil Liebe auch nicht gleich Glück ist, weiß man am Ende nicht, ob man nun lachen oder weinen soll, wenn sich ihre Geschichte auflöst.

Eugene O´ Neills „Ein Mond für die Beladenen“ ist eine Liebesgeschichte, aber nicht im herkömmlichen Sinn. Es sind verschrobene Verlierertypen, die sich hier verlieben, die Angst haben, Liebe zu geben oder zu empfangen, die Liebe bekommen und gleichzeitig entbehren. Diese Charaktere überraschen immer wieder, werden mindestens einmal gebrochen und sind der Grund, warum „A moon for the misbegotten“ so gelungen ist. Bettina Riebesel, als Josie Hogen, glänzt in ihrer, für eine Frau so außergewöhnlichen und dankbaren Rolle. Und zusammen mit Bernd Stübner als ihr Vater Phil und Georg Tielmann als Jim Tyrone lassen die drei ihre Figuren so authentisch wirken, dass man seinen Sitznachbarn vergisst, nur noch Josie, Jim und Phil ist, nur noch lacht, leidet, hasst und liebt. Eingewebt ist auch der wegen seines Reichtums – publikumswirksam in Leipzig – arrogant-lächerlich inszenierte Nachbar Harder (Michael Schrodt), doch verzeiht man diese kleine Oberflächlichkeit dem Regisseur Boris von Poser gern, wenn man dafür auf einer phantasievoll-modern genutzten Bühne (Katja Schröder), mit Musik von Portishead, The Streets und Goldfrapp, so tief in die eigenartige Figurenwelt O´ Neills abtauchen kann wie hier. Leicht und unterhaltend, aber genauso philosophisch-tiefgründig – dieses Stück ist ein Muss für Ihren nächsten Theaterabend.

(Carolina Franzen)


Weitere Vorstellungen am 11. und 25.11., jeweils 20 Uhr

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