„Ultranova”, ein Film von Bouli Lanners (Kathleen Nordt)

Ultranova
Belgien, Frankreich 2004
Regie: Bouli Lanners
Schauspieler: Vincent Lecuyer, Héléne de Reymaeker, Michael Abiteboul
Länge: 86 Minuten
Kinostart: 5. Januar 2006

Fotos: PeripherModerne Gesellschaft

„Ultranova“ ist keine typische Kinounterhaltung. Vielmehr irritiert er den Zuschauer und wirkt ab der ersten Szene befremdlich. Da krabbelt eine Person aus einem auf dem Dach liegenden Auto in einer weiten, ebenen, lautlosen Landschaft. Lautlos, so wie das Leben unserer Mitmenschen heutzutage an uns vorbeirauscht. Sprachlos, so wie wir uns Urteile über Menschen bilden ohne persönlich mit ihnen geredet zu haben. Gehörlos, so wie wir die Worte unseres Gegenübers vernehmen ohne dessen Inhalt zu erkennen. Genau diese moderne und beziehungslose Lebensweise unserer heutigen Welt reflektiert „Ultranova“, der auf der Berlinale 2005 mit dem Preis der CICAE-Programmkinojury ausgezeichnet wurde.

So plötzlich wie „Ultranova“ beginnt, so unerwartet endet er auch. Im Mittelpunkt steht Dimitri, der Fertighäuser verkauft, neben seiner Arbeit jedoch einsam in seiner Welt lebt und keinen Kontakt zu Menschen pflegt, bis Cathy beginnt sich für ihn zu interessieren. Obwohl der Film eher von kurzer Dauer ist, scheint sich die Handlung teilweise endlos hinzuziehen, da der Film auf große Effekte verzichtet. So karg wie das Verhältnis der Menschen untereinander, so schmucklos sind auch die tonale Gestaltung und die Schauplätze. Der Film wirkt durch die Personen an sich, auf die der Fokus der Kamera gerichtet ist. In der Mimik bilden sich die inneren Empfindungen der Figuren ab, die von ihrem Gegenüber jedoch unerkannt bleiben und somit zu Einsamkeit und Zurückgezogenheit führen.

Es ist nicht das Ziel des Films, den Zuschauer in eine fiktionale Welt zu entführen. Er soll sich selbst in den geschilderten Alltagssituationen wieder erkennen, die das gestörte Verhältnis der modernen Menschen untereinander und zu sich selbst verdeutlichen. Dazu zählt, dass kein wirkliches Gespräch zustande kommt, kein Gedankenaustausch, keine Wärme zwischen den Figuren. Manchmal möchte man über die bizarren Situationen oder anscheinend sonderbaren Personen, die den Film kennzeichnen, lachen. Doch im nächsten Moment erkennt man sich im Spiegel der Zeit und die Komik wandelt sich in bedrückende Realität.
„Ultranova“ ist kein herkömmliches Kino. Unterhaltung im klassischen Sinn bietet der Film nicht. Er führt dem Publikum indirekt das eigene Verhältnis zur Umwelt vor Augen, ohne es in irgendeiner Form zu werten. Er beobachtet nur genau und gibt durch die Zuspitzung der Charaktere einen Anstoß. Die Reflexion ist die Aufgabe des Zuschauers und der Film wahrt bis zum Schluss erfolgreich die Distanz zum Publikum, so dass der nötige Raum zum Nachdenken geschaffen wird. Und genau darin liegt das Besondere und begründet sich die Bedeutung von „Ultranova“. Er wirkt nicht auf einer emotionalen, kurzzeitigen Ebene, sondern gibt längerfristig Impulse, um sich über das eigene Verhalten in der Umwelt bewusst werden zu können.(Kathleen Nordt)

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