„YES”, ein Film von Sally Potter (Anna Kaleri)

YES
GB/USA 2004, 95 min
Regie & Buch: Sally Potter
Kamera: Alexei Rodionov
Darsteller: Joan Allen, Simon Abkarian, Shirley Henderson, Sam Neill
Kinostart: 6. Januar 2006

Fotos: Alamode Film
„Wunderhübsch“ oder
Warum man seinem Hausmädchen
weniger Zeit zum Sinnieren lassen sollte
Sally Potter versucht sich an der Dichtung

Aus der Perspektive eines Hausmädchens (Shirley Henderson) werden wir in den Hausstand einer ganz normalen Ehe eingeführt – unterkühlt, frustriert, in Schuldzuweisungen festgefahren, das Übliche eben, das einem vorschwebt, wenn man an Wohlhabendere denkt. Dem Ehemann (Sam Neill) gelingt es nicht, die Zeugnisse seiner Seitensprünge wegzuspülen, und so sinniert das beflissene Hausmädchen mit dem aus dem Klo gefischten Kondom in der Hand über den Schmutz und das Leben – in Reimform. Nicht in Reinform, sondern in jambischen Reimen. Nachdem dieser Ausrutscher des Filmes in die Theatersprache ? la Shakespeare ohne Shakespeare überstanden scheint, geht es in der nächsten Szene in gleicher Weise weiter und lässt uns nur über kurze Passagen aufatmen, die wir womöglich ihrer Unübersetzbarkeit verdanken. Die Sprache nahe der Kitschgrenze (O-Ton: „wunderhübsch“) ist zumindest gewöhnungsbedürftig. Was Sally Potter („Orlando“, „The Tango Lesson“) mit ihrem neuen Film eigentlich sagen will, bleibt fraglich und auch, warum sie ausgerechnet das Stilmittel des Pathos wählt, falls nicht in der Absicht, eine an sich so profane wie interessante Liebesgeschichte aufzublähen.

Eine Embryologin (Joan Allen), die mit kleinsten Lebenseinheiten und großen Fragen in Berührung steht, verliebt sich in einen aus dem Libanon stammenden Koch (Simon Abkarian) mit Schnauzbart, der vor seiner Emigration als Chirurg gearbeitet hatte. Er hebt sie in erfüllender Nähe empor und verlässt sie eines unerwarteten Tages mit einem Rückfall in eine Art weltanschauliche Schwarz-Weiß-Malerei. Die Ursache dafür, dass er sich in seiner Würde verletzt fühlt, liegt in einem plötzlich eskalierten Multikulti-Austausch, der in der Restaurantküche ursprünglich friedlich-männlich begonnen hatte.

An diesem Punkt betritt der Film die politische Bühne und folgt bestenfalls einer aufklärerisch-versöhnenden Idee, verfällt schlechtestenfalls dem Sozialkitsch. Die in den Film gepressten Überlegungen zum Frauenbild (Sexy-Sein versus innere Werte, alleinerziehend versus Karriere ohne Kind) erreichen schon gar nicht höhere, respektive tiefergehende Ansprüche.

Nachgerade originell und bewegend mutet das halbtote atheistische Tantchen an, das ihre letzten Worte Castro und Kuba widmet. Als wäre dort das Heil der Welt zu finden, macht sich die Protagonistin dann auch nach Kuba auf, während zu Hause ihre hintersinnige Putzfrau umgeben von unsichtbaren Milben und Viren feststellt, dass man Dreck nicht beseitigen, sondern nur verschieben könne. An den Haaren herbei gezogen wirkt die quasi en passant gegebene Erklärung für den Titel des Films, der genauso gut „No“ heißen könnte oder wie auch immer.

Theatralisch eingestimmt lässt sich der Film mit stimmungsvollen und teilweise innovativen Seheindrücken goutieren. Der Original-Soundtrack aus der Feder der vielseitig interessierten Sally Potter wird hingegen auch ohne Eingewöhnung den Publikumsgeschmack treffen.(Anna Kaleri)

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