You\’ll never talk alone

Wiglaf Droste liest in Leipzig und läßt sich von mir interviewen – beinahe

Wiglaf Droste war wieder mal in Leipzig und las am Sonntag, dem 4. Dezember 2005, in der Schaubühne Lindenfels unter dem Programmtitel „Westfalien Alien“. Ein Interview mit ihm hinterher hätte ungefähr so aussehen können

Herr Droste, wie fühlen Sie sich heute Abend?

In meinem Kopf ist Ebbe, in meinem Herzen Flut.

Mögen Sie Interviews?

Das kommt drauf an. Bei dem „Mephisto“-Interview vor der Lesung hatte ich das Gefühl, die wollen wirklich was wissen! Das ist ja selten der Fall.

Was macht Ihre Lesungen aus?

Nun, das Lesen vermutlich. Aber ab und zu kann man mir beim Tränenlachen zusehen, wenn ich einen Text seit Jahren nicht mehr gelesen habe. Dann fange ich mittendrin an zu glucksen, frage mich: Wie warst du denn damals drauf? Außerdem singe ich manchmal was oder schlage ein Rad. Und dann lasse ich das Publikum auch gerne mal was demokratisch entscheiden. Ob sie einen Porno über Schröder und Merkel hören wollen, zum Beispiel.

Sind Sie gern in Leipzig?

Oh ja, auch wenn hier Kommunisten von der Bühne gebuht werden. Aber mein Verlag, Reclam Leipzig, sitzt hier. Ein Hoch auf ihn!

Fragen, die Sie an das Leben stellen?

Wozu hat Kai Diekmann einen Kopf?

Was kritisieren Sie an der heutigen Gesellschaft?

Dass sich immer alle so profilieren müssen. Niemand will mehr als Dilettant Freude an der Arbeit haben.Was wird oft vergessen?

Viele halten den 11. September ja für die Geburtsstunde der modernen fliegenden Architekturkritik. Aber es ist auch Franz Beckenbauers Geburtstag. Ich-kann-Golf-und-Ski-und-Wandern-und-bin-schöner-als-die-andern-Franz.

Ihre Einstellung zu Religion?

Ich bin Agnostiker. Gott ist egal, und was egal ist, darf ignoriert werden. Bei Göttinnen mache ich da allerdings ganz gern mal ´ne Ausnahme.

Wer nervt?

Günther Grass. Mit Liebesgedichten, die einfach Grotte sind. So bekommt man dann den Nobelpreis. Den kann man inzwischen quasi nicht mehr annehmen.

Reinhold Messner – latscht um die ganze Welt und bemerkt nichts als Reinhold Messner. Seine Verleger, weil sie Beihilfe zur Belästigung leisten. Der Mangelsachse Erich Loest.

Womit halten Sie sich mental über Wasser?

Schreiben und singen. Häufige Besuche bei meinem Freund Ralf Sotschek in Irland haben mich den irischen Volksweisen Untertan gemacht. Seitdem probier ich´s neben Van Morrison immer mal damit.
Und kochen.

Was würden Sie ungern aufgeben wollen?

Meinen bequemen Platz am Ende der Nahrungskette.

Ernähren Sie sich gesund?

Nun, man tut was man kann. Leider gibt´s ja da die ein oder andere Hürde zu überwinden. Einkaufen im Bio-Laden ist wie Konfirmationsunterricht – man fühlt sich ständig ertappt.

Was wüssten Sie gern mal?

Ob der Papst wirklich durch Flaschendrehen im Vatikan ermittelt wird.
Schreiben Sie lieber Prosa oder Lyrik?

Lyrik macht gelegentlich mehr Spaß, vor allem, wenn ich merke, dass das Gedicht nur halb so kurz wie sein Titel wird. Prosatexte schreibe ich manchmal notgedrungen, um einen einzigen prägnanten Satz irgendwie untergebracht zu haben.

Wie sehen Sie sich selbst?

Als ein lustiges Haus, auch körperbaumäßig.

Was tun Sie außer dem Schreiben?

Ich gebe mit Vincent Klink die Zeitschrift „Häuptling eigener Herd“ raus und singe im Spardosen-Terzett.Und was sind Ihre Hobbies?

Schnittenschießen. Galoppierende Brot-Metapherei.

Motto?

You´ll never nordic-walk alone.

Danke, Herr Droste.

Wiglaf Droste liest: Westfalien Alien
4. Dezember 2005, Schaubühne Lindenfels

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