Vorlesungen und Lesungen im Leipziger Frühjahr (Grit Kalies)

Vorlesungen und Lesungen im Leipziger Frühjahr
Vorlesungen von Karl-Ludwig Resch (12.4.06, Hörsaal Anatomie) und Joachim Sieler (26.4.06, Hörsaal Chemie) im Rahmen des Studium universale „Alles fließt – Dimensionen des Wassers“
Lesungen von Margriet der Moor (16.3.06, Haus des Buches), Jörg Jacob, Carl-Christian Elze, Christine Hoba und Rudolf von Waldenfels (16.3.06, naTo), Sigrid Löffler (5.4.06, Lehmanns Buchhandlung), Daniel Kehlmann (27.4.06, Haus des Buches)


Wasser war die Grundlage der Welt und aller ihrer Geschöpfe?
Paracelsus


Wasserzeichen

Die innerfamiliäre Diskussion wurde ausgelöst durch meine Behauptung, daß sich auf dem Mond Wasser befinde. -Hier stünde aber, daß man erst nach einem Beweis für Wasser auf dem Mond suche. -Dann solle man eben nicht Boulevardblätter lesen, sondern wissenschaftliche Abhandlungen, schon 1996 seien Eisablagerungen an den Mondpolen entdeckt worden. -Was Mondpole überhaupt sein sollten, wo die sich befänden, der Mond zeige der Erde doch immer dieselbe Seite. Worauf sich vier Hobbyastronomen abendfüllend (mittels Tischtennisbällen, Stiften, Lampen, sportlichen Einlagen, Tischverrückungen, Wohnungsumbauten) die Lage des Mondes bei Umkreisung der Erde bei gleichzeitiger Umkreisung der Sonne erklärten.

Auf jeden Fall befindet sich Wasser auf der Erde. Die öffentliche abendliche Vorlesungsreihe Studium universale zum Thema „Alles fließt – Dimensionen des Wassers“ der Universität Leipzig bietet geistes- und naturwissenschaftliche Sichten auf den allgegenwärtigen Stoff. Bereits aus den beiden ersten Vorlesungen („Wasser – Wunderwaffe in der Medizin“ des angenehm vortragenden Medizinprofessors Karl-Ludwig Resch und „H2O – eine chemische Experimentalvorlesung“ des mit hintergründigem Humor begabten Chemieprofessors Joachim Sieler) lassen sich drei lebenswichtige Verhaltensregeln ableiten:

1.Trinke niemals Tafelwasser.
2.Besuche das Studium universale „Alles fließt – Dimensionen des Wassers“.
3.Besuche es auch dann, wenn bezweifelt werden muß, daß ein über die molekulare Struktur des Wassers oder die Unterschiede von Leitungswasser, Quellwasser, Mineralwasser, Heilwasser und Tafelwasser aufgeklärter Mensch höhere Überlebenschancen hat, wenn er erst einmal der zweiten Seite des Wassers begegnet.

Dieser Seite, also der todbringenden, widmet sich Margriet de Moor in ihrem Roman „Sturmflut“ (Hanser, 2006), der Lebens- und Todesgeschichte zweier ungleicher Schwestern. Das Thema habe auch mit ihrer Herkunft zu tun, so die Niederländerin im März im Haus des Buches. Die Nähe zum Wasser und die Bedrohung, die daraus erwachse, spüre jeder Bewohner des Landes. Doch sei nicht nur Natur das Thema des Buches, auch die Natur des Menschen, seine Zerrissenheit, seine Ersetzbarkeit. Im Gespräch mit Lektor Michael Krüger offenbart sich die rothaarige Autorin als frische Gesprächspartnerin mit Lust am Schreiben („Das hat sich sehr gut geschrieben, das habe ich gern geschrieben.“) und einem sezierend-handwerklichen Blick auf das eigene Werk.

Bleiben die vier Frühjahrs-Neuerscheinungen des Mitteldeutschen Verlages, von denen vor allem die unaufgeregt gelesenen, feinsinnigen Geschichten von Jörg Jacob („Das Vineta-Riff“, mdv, 2006) Wasserzeichen im Gedächtnis hinterlassen haben, Sigrid Löfflers Büchervorstellung „Träume von Literatur. Der Fall Koeppen und andere Mythen“ mit dem guten Buchtip Péter Esterházy „Einführung in die schöne Literatur“ (Berlin Verlag, 2006) und Daniel Kehlmanns Lesung aus dem Roman „Die Vermessung der Welt“. Der gelesene Text erzeugte kaum sprachlichen Sog, doch war er kurzweilig und die Diskussion mit „Sinn und Form“-Chefredakteur Sebastian Kleinschmidt anregend. Darauf ein guter Schluck heißes Leipziger Leitungswasser (NH4 < 0.03 mg/l, Ca: 87 mg/l, Mg: 18,1 mg/l, Nitrit < 0.02 mg/l), man genießt es und sagt bei jedem Schluck: Ah.

(Grit Kalies)

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