Danke für die Erfrischungstücher!

Das Dresdner Barockorchester spielt die h-Moll-Messe in der Thomaskirche unter Leitung Georg Christoph Billers

Dunkle Wolken über Leipzig, als die Besucher des Musiksommer-Konzertes mit Bachs h-Moll-Messe die Thomaskirche betreten. Erfrischungstücher werden gereicht und Sanitäter stehen bereit, für ein in jeder Hinsicht außergewöhnliches Konzert. Denn während sich draußen schon peu ? peu die lang ersehnte Abkühlung bemerkbar macht, lastet im Kirchenschiff noch die bleierne Hitze der vergangenen Tage.
Doch nicht nur was die Temperatur angeht, soll dies ein Konzert der Superlative werden. Bachs opus ultimum an seinem 256. Todestag in seiner letzten Wirkungsstätte mit Spitzenchor, Spitzenorchester, die Solisten alle Bachpreisträger, Amtsnachfolger Georg Christoph Biller am Pult. Die ARD-Klassiksender und zahlreiche Radiostationen des europäischen Auslands übertragen live. Doch die Hitze!
Nicht überraschend also und entschuldbar, dass gerade die Streicher sich im ersten Kyrie intonationsmäßig noch finden müssen. Hinzu kommt vielleicht, dass ein solcher Largo-Satz nicht unbedingt das ist, was man bei Gewitterschwere hören möchte. Doch Trine Wilsberg Lund und Susanne Langner erfrischen gleich darauf mit einem herrlich leichten Christe-Eleison-Duett. Dieses Wechselspiel durchzieht den weiteren Abend. Biller geht die schnellen Sätze erstaunlich schnell und lebendig an, als wolle er die mit dem Regen eintretende Entspannung vorwegnehmen. Auf manchen langsamen hingegen lastet zuviel äußere Spannung, als dass sich innere Spannung bei Musikern und Zuhörern entwickeln kann.

Der Dresdner Kammerchor indes singt so leicht, als stünde er in angenehm kühlen Klostergemäuern. Besonders der Sopran becirct das Publikum mit einem glockenhellen Et in terra pax. Und auch das Solistenquartett macht allen Schweiß vergessen. Der 1. Sopran bekommt von Bach ja leider „nur“ drei Duette und keine Solo-Arie, im Falle von Trine Wilsberg Lund sehr bedauerlich. Gut, dass der Bass (Markus Flaig) derer zwei singen darf, ein dunkel-feierliches Quoniam tu solus sanctus und ein tänzerisches Et in spiritum sanctum Dominum. Und die Kondition ist bewundernswert, mit der Mezzosopranistin Susanne Langner und Tenor Julius Pfeifer am Ende nach zwei Stunden in stickiger Luft in den Arien Benedictus und Agnus Dei noch einmal Momente der Einkehr erzeugen können.

Gut, dass die Verantwortlichen trotz der Liveübertragung zwischenzeitlich die pragmatische Entscheidung treffen, die Türen zu öffnen, nachdem bereits erste Zuhörer vorzeitig gegangen sind oder wegen einer Ohnmacht die Hilfe der Sanitäter in Anspruch nehmen mussten. Und so sind am Ende wohl alle trotz des herrlichen Konzerts froh, die Thomaskirche verlassen zu dürfen. Dona nobis pacem. Draußen ist die Temperatur nun angenehm. Wolken sind aufgezogen, doch der große Regen bleibt vorerst aus.

MDR MUSIKSOMMER

Johann Sebastian Bach und seine Städte

Johann Sebastian Bach (1685-1750):

„Vor deinen Thron tret‘ ich hiermit“
Choralvorspiel BWV 668 für Orgel

Messe h-Moll BWV 232

Georg Christoph Biller, Orgel
Trine Wilsberg Lund, Sopran
Susanne Langner, Mezzosopran
Julius Pfeier, Tenor
Markus Flaig, Bassbariton
Dresdner Kammerchor
Dresdner Barockorchester
Georg Christoph Biller

28. Juli 2006 20 Uhr, Thomaskirche

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