Wanderers Nachtlied

Bobo singt alte deutsche Volkslieder im Lindenfels Westflügel

„Bobo singt Volkslieder“ – beinahe wäre man achtlos am Titel der Veranstaltung vorbeigegangen und ein wundervoller Abend verpasst worden. Zum Glück erinnerte man sich an jene Sängerin, die einst mit „Bobo In White Wooden Houses“ für Furore gesorgt hat, und war nun sehr neugierig auf ihr neues Projekt.

Es sollte kein Heimatabend werden, und auch die vermeintliche deutsche Gemütlichkeit wurde nicht beschworen. Anstatt einfach irgendwelche Volkslieder anzustimmen – was bei ihrer Sangeskunst bereits ein Erlebnis gewesen wäre – verzauberte Bobo im freien Spiel mit den traditionellen Vorlagen. Alte Weisen wie „Es geht eine dunkle Wolke herein“ oder „Die Königskinder“ erklangen ebenso wie Präludien von Bach in faszinierenden Variationen, und Gedichte von Goethe und Eichendorff erfuhren eine schöpferische Vertonung. Musikalische Unterstützung fand die Chansonette durch Anne Kaftan an Sopransaxophon und Bassklarinette und Sebastian Herzfeld an Zither, Steelplates und einem elektronisch präparierten Klavier. Das Trio hüllte die ewigen, nicht verstummenden Themen in neue Gewänder. Nicht modernistisch auf Plüsch und Pop getrimmt schwangen Lust und Leid als zentrale Themen stets mit. Bobo griff die Metaphorik des Volksliedes im Gesang auf und gab ihr vokalen Ausdruck. Als „Wildvögelein“ verweigerte sie trotzig trällernd jenen das Lied, die es mit Gold und Seide lockten: „…und niemand kann mich zwingen.“ Mit Megaphon und Mikro intonierte sie einen flüsternd-lärmenden Wechselgesang und im Lied „Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht“ perlten die Worte wie Tropfen von ihren Lippen hinab.

Lieder von Schönheit, Lebenslust und Trauer schlugen das Publikum in ihren Bann an einem melancholisch-besinnlichen Abend, für den der intellektualistische Allgemeinplatz von Eros und Thanatos einmal wirklich beschreibende Kraft zukommt. Die Fragen des Lebens waren als Grundmotiv allen Liedern zueigen. Sie spiegelten die Suche nach dem Wesen von Liebe und Glück, weckten Sehnsucht nach Leidenschaft, stimmten das Lob einer gewissen Leichtigkeit des Seins an und forderten zum Tanz. Im Gefühl die Welt umarmen zu wollen oder Stille zu suchen beschrieben sie mal düster, mal fröhlich das Leben und die Welt, die zuweilen – und sei es nur die eigene kleine – auch schön ist.

Traumhafte Klänge und Landschaften wurden in den Raum gemalt und waren im morbiden Charme des Westflügelsaales besonders gut aufgehoben. Wer diesen Abend verpassen musste, kann sich von der anrührenden Schönheit der „Lieder von Liebe und Tod“ auf gleichnamiger CD überzeugen, wie auch das betörte Publikum diese mit dem Wunsch nach Fortdauern mitnahm. Denn als Bobo zur zweiten Zugabe „Wanderers Nachtlied“ anstimmte, wusste der ausverkaufte Saal:
„…Warte nur, balde
Ruhest du auch.“

„Bobo singt Volkslieder – Altdeutsche Volkslieder von Liebe und Tod“

Gesang: Bobo
Saxophon & Klarinette: Anne Kaftan
Präpariertes Klavier & Zither: Sebastian Herzfeld

27. August, Lindenfels Westflügel

www.bobo-in-white-wooden-houses.de

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