„Das Leben ist ein Wandelbares” – Reflektionen des Georg Blume (Tobias Prüwer)

Georg Blume:
„Ich nehm‘ das Gute, wo ich’s finde – Der Weise vom Wachwitzer Weinberg“
Edition Unica Leipzig 2006, 174 S., 24,90 ?
„Gedanken über Max Stirner, Rolf Engert und anderes…“
Verlag Max-Stirner-Archiv Leipzig 2006, 65 S., 12,90 ?
www.max-stirner-archiv-leipzig.de


„Das Leben ist ein Wandelbares“
Reflektionen des Georg Blume


Die Frage nach dem Woher und Wohin des eigenen Ichs ist eine alte Menschheitsfrage, die jederzeit gestellt und bis heute nicht gelöst wurde.

Freunde nennen ihn den Weisen vom Wachwitzer Weinberg. Der Beiname scheint passend, denn seit frühester Jugend bildet die Anhöhe bei Dresden für Georg Blume das Lebenszentrum. Hier weilte und weilt der nunmehr 96jährige gleichsam wie in der Legende, schaut vom Berg des Philosophen auf die Welt und meditiert. Seinen Reflektionen ist nun in zwei Büchern nachzuspüren.

Unter dem Wahlspruch „Ich nehm‘ das Gute, wo ich’s finde“ sind über die Jahre entstandene Gedichte und kleine Texte Blumes in einem sehr persönlichen Buch vereint. Sie kreisen um Lebenskraft und Vergänglichkeit, die Schönheit der Natur und die Selbstbestimmung des Menschen. Die Auswahl enthält feinfühlige und detailfreudige Landschaftsbeschreibungen, die durch beigefügte Skizzen und Zeichnungen illustriert werden. Euphorisch wird jenem unmittelbaren Erfahren Ausdruck gegeben, das sich besonders deutlich in der Natur ereignet und in einem quasi-mythischen Allgefühl den Einzelnen sich selbst näher bringt. Schon in den Beschreibungen des Naturerlebens wird die Frage nach dem Menschen berührt, die in anderen Gedichten zentral ist: „Es ist, als flute in mir anderes Gesetz“ feiert zum Beispiel die individuelle Selbstgestaltung. In Blumes Texten steht der Einzelne stets vor der Gemeinschaft und findet sich eher in der Natur, als dass er sich in der Masse verliert. Seine Bestimmung sucht der schöpferische Mensch sich selbst: „Fortschritt vollzieht sich nur im Einzelnen. Die Masse überwindet ihre Trägheit fast nie, und wenn sie es tut, dann auch zumeist nur zu wenig fruchtbarem Tun!“

So scheint eine politische Dimension auf, die nicht von ungefähr kommt, wie in Blumes zweiter Schrift zu erfahren ist. In „Gedanken über Max Stirner, Rolf Engert und anderes…“ finden sich Reflexionen über die Ich-Philosophie Max Stirners, der heute fast vergessen scheint, aber mit seinem Werk „Der Einzige und sein Eigentum“ viele Denker, zum Beispiel Nietzsche, beeinflusst hat. Fern von sorglosem Apologetentum nimmt Blume Anleihen und Anstoß. Er schreibt gegen den Vorwurf eines landläufigen Egoismus an und macht den konsequenten Individualismus stark, der sich von Zwecken distanziert, die außerhalb des Individuums liegen. Solch „fixe Ideen“ (Stirner) wie Volk oder Nation legen dem Einzelnen einen Zwang auf, der seine Selbstbestimmung unterbindet. Einzig um letztere sollte es aber dem Menschen gehen, und deshalb sind Stirners Positionen auch heute relevant und bedenkenswert.

In einer unvollkommenen Welt nimmt sich Blume das Gute, wo er es vorfindet. Gerade weil das Leben wandelbar ist, müssen der und die Einzelne ihre Existenz jeweils eigen entwerfen. Aus dem Ich-Standpunkt ist nicht herauszukommen, aber mit dem Wissen und dem Sorgen darum schon viel gewonnen – wenn man das Andere mitbedenkt. Blumes Bücher zeugen von poetischer Zartheit, philosophischer Gewissheit und politischer Entschlossenheit; sie betonen das eigenständige Denken und das unnachgiebige Streben nach individueller Unabhängigkeit.

„…Fesselt den Menschen ihr auch, frei herrscht stets doch sein Geist…“

(Tobias Prüwer)

Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.