Französische Filmtage I: Tristesse im großen Stil (Julie Kasier)

Journées Du Cinema Français – 12. Französische Filmtage
22. bis 29. November
www.franzoesische-filmtage.de
Tristesse im großen Stil

Nein, heiter und erbaulich kann man das Programm nicht nennen. Es geht eher Hand in Hand mit dem Wetter. Nicht eiskalt, doch regnerisch und von Zeit zu Zeit eine kühler Windstoß. Eine Ausnahme ist der Eröffnungsfilm Paris, Je t´aime. Sechzehn Geschichten die an verschiedenen Plätzen in der Stadt der Liebe spielen, jede von einem anderen Regisseur. Beginnend mit dem Suchen und Finden, über Muterliebe und Scheidung, alte wie junge, leidenschaftliche und abgekühlte, zu neu entfachter und unerwiderter Liebe. Tom Tykwer lässt uns beispielsweise von einem blinden Jungen durch seine Geschickte führen, während die Elija Wood mit Vampire kämpfen muss oder eine amerikanische Briefbotin es erst in Paris schafft still zu sitzen – und sich auszuruhen. Großes Kino also und ein dementsprechend begeistertes Premierenpublikum am ersten Tag der Französischen Filmtage. Die glücklichen die Karten bekommen hatten, standen nach dem Film noch bei Sekt und Quiche zusammen. Man plauderte über Lieblingsepisoden oder schmiedete gar eigene Reisepläne. Doch wer zu überschwänglich auf den schönen Beginn angestoßen hat, dessen Kopfschmerzen werden beim folgenden Programm nicht gerade gelindert.

Die Cinémath?que bietet vor allem eine Serie von Isabelle Hupert Filmen. Sehr engagiert gibt es dort nach Serge Gainsbourg Hits noch eine bilinguale Einführung zu jedem Film. Die zweite Minireihe beschäftigt sich mit den Jean-Pierre und Luc Dardenne. Nach dem Erfolg von L`Enfant im letzten Jahr laufen nun zwei ältere Filme: La Promesse und Rosetta. Letzterer war allerdings am ersten Tag nur mäßig besucht. Wer da war um die kleine Rosetta 90 Minuten wutschnaubend und zugleich hoffnungslos umher rennen zu sehen, der stöhnte am Ende frustriert. Nach einem Bier an der Bar jedoch hieß es schon bescheiden geworden: „Gut, das war vermutlich noch das bestmögliche Ende. Ich hatte ja Angst das alle böse ausgeht.“ Eine kleine Ausnahme im Programm ist Murderers ein neues Road-Movie á la Selma und Luise. Nur mit zwanzigjährigen, kurzberockten Mädchen in Südfrankreich und ansonsten sehr spröde. Der Film lief in Cannes, doch ein deutscher Verleih ist noch nicht gefunden. Zumindest das macht den Kinoabend wohl einzigartig. Je t´ aime. Moi non plus.

Nach elf Jahren, so betonen die Veranstalter, hätten die Filmtage zwar Tradition, doch langweilig wird es noch lange nicht. Das klingt nach den letzen verzweifelten Beteuerungen in einer Beziehung. Wie dem auch sei, es gibt viel Neues bei den Französischen Filmtagen: eine Lesung, ein Popkonzert und die enge Zusammenarbeit mit dem Institut Lumiere in Leipzigs Partnerstadt Lyon. Die Gefahr besteht darüber, die Filme – das eigentlich Wesentliche- zu vergessen. Das wäre schade. Denn auch dieses Jahr warten zumindest kleine Schätze auf den Zuschauer: eine neue Version von Die schönen Querulantin, die Stummfilmsammlung von Louis Lumiere, die von Alban Liebl, einem Spezialisten aus Lyon charmant kommentiert wurde und die ausgesucht schöne parallel laufende „Ciné-Fete“ für das junge Publikum.
(Julie Kaiser)
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