Leidliche Komödie: „Die wirklich wahrste Wahrheit” über „Mein Führer” (Roland Leithäuser)

Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler
Buch & Regie: Dani Levy
Produzent: Stefan Arndt
Mit: Helge Schneider, Ulrich Mühe, Sylvester Groth, Ulrich Noethen u.a.
Deutschland 2007 – 90 Min.
X-Verleih Berlin
Kinostart 11. Januar 2007
www.meinfuehrer-derfilm.de
Im Bett mit Adolf Hitler
„Der Jud‘ tut gut“: Dani Levy lacht über den Führer

Das neue Jahr fängt ja schon gut an: Der neueste Film des jüdischen Regisseurs Dani Levy (Alles auf Zucker) provoziert und spaltet die Nation und Filmschaffenden, noch bevor das Werk den Eingang in deutsche Kinosäle findet. Hauptdarsteller Helge Schneider beklagt sich in einem Interview, die finale Fassung des Filmes entspreche nicht mehr seinem Geschmack. Die Hauptbedenkenträger der Nation, allen voran der unvermeidliche Ralph Giordano, debattieren, ob man einen solchen Film in Deutschland zeigen dürfe. Als ginge es um unentdecktes Filmmaterial von Leni Riefenstahl.

Tatsächlich geht es aber nur um die neue Komödie Levys, Mein Führer, die ein neunzigminütiges Seemannsgarn um den Untergang des „3. Reiches“ und seiner tragenden Protagonisten spannt. Levys Film erhebt keinen Anspruch auf historische Authentizität und weist wiederholt auch darauf hin. Die Rolle Adolf Hitlers besetzt Levy mit dem notorischen Blödelbarden Helge Schneider, der den „Führer“ als manisch-depressiven, einsamen und sexuell unpotenten Choleriker gibt. Darf man das?

Levys Drehbuch zum Untergang liest sich in etwa so: Zur Jahreswende 1944/1945 plant Reichspropagandaminister Goebbels einen letzten großen Auftritt des Führers, der der verstärkten geistigen Mobilmachung des Volkskörpers zuträglich sein soll. Vor den Pappkulissen des vermeintlich unzerstörten Berlin soll Hitler eine Neujahrsansprache halten, die sich gewaschen hat. Doch der Führer ist nicht in Form: Lethargisch und voller Selbstzweifel harrt er der Dinge die da kommen und glaubt nicht mehr an den Endsieg. In Gestalt des jüdischen Schauspiellehrers Adolf Grünbaum (Ulrich Mühe) naht die vermeintliche Rettung für Goebbels‘ Projekt. Dieser soll Hitler in der Redekunst unterrichten, wie er es schon einmal, zu Beginn von Hitlers politischer Karriere tat. Doch haben sich die Zeiten geändert. Grünbaum ist im Konzentrationslager Sachsenhausen interniert und stimmt dem Auftrag erst zu, als auch seine gesamte Familie aus dem Lager entlassen und in der Berliner Reichskanzlei einquartiert wird. Dann nimmt er die Arbeit auf, „Coaching“, wie man das neudeutsch nennt. Das ramponierte Selbstbewusstsein Hitlers, so wird Grünbaum schnell gewahr, hat mit traumatischen Erfahrungen seiner Kindheit zu tun. Der Führer wurde willkürlich körperlich und seelisch gezüchtigt und suchte im späteren Leben deshalb nach Projektionsflächen für seinen Haß. Der Unterricht wird so zur Therapie, unter den unorthodoxen Lehrmethoden Grünbaums kehrt der Lebensmut wieder zu Hitler zurück. Und Grünbaum, der anfangs nur nach einem geeigneten Moment suchte, um Hitler zu töten, sieht sich in einer Mission. Als er kurzfristig zurück nach Sachsenhausen gebracht wird, Hitler aber auf der Fortsetzung des Unterrichts gegenüber Goebbels beharrt, macht der Jude zur Bedingung für seine Rückkehr, das KZ Sachsenhausen müsse aufgelöst und seine Insassen in Freiheit entlassen werden. Goebbels geht zum Schein darauf ein. Höhere, finstere Ziele leiten sein Handeln: bei der Neujahrsansprache soll Hitler durch ein Bombenattentat umkommen, das man dem Juden Grünbaum in die Schuhe schieben will. Ein teuflischer Plan, von dem Albert Speer am Rande erfährt. Hitler ist konsterniert und stellt fälschlich Grünbaum zur Rede, doch dieser ist ahnungslos und lädt den Führer in der Silvesternacht ein, es sich zwischen seiner Frau und ihm im Bett der Grünbaums bequem zu machen. Den anschließenden Anschlag auf des Führers Leben, ausgeführt von Grünbaums Frau, vereitelt er auch noch. Ein großes Finale steht am nächsten Tag bevor!

So absurd die Handlung von Dani Levys Film ist, so nachdrücklich weist sie aus, dass alle Vorwürfe gegen den Film, die auf eine zu menschliche Darstellung der Nazi-Schergen abzielen haltlos sind. Hitler und seine Vasallen sind allesamt grotesk überzeichnete Figuren, geplagt von persönlichen Obsessionen und Neurosen. Dabei gibt der Komödiant Schneider einen Hitler fernab aller Clownerie, der sich zwar fortwährend der Lächerlichkeit preisgibt, dabei aber als Charakter durchaus in der Reihe namhafter „Hitler“-Vorgänger von Charlie Chaplin bis Bruno Ganz zu bestehen weiß. Ohnehin lebt Levys Hitler vom Zusammenspiel mit dem grandiosen Ulrich Mühe, der dem Film erst die rechte Dynamik verleiht. Lose basiert seine Rolle des Juden Grünbaum auf der Person Paul Devrients, der in den 1920er Jahren tatsächlich den aufstrebenden Redner Hitler in Rhetorik und Schauspielkunst unterwies.

Bertolt Brecht hat in seinem Stück Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui im Jahr 1941 diese Rolle bereits eingehend gewürdigt. Das Problem von Levys Film besteht also nicht in einer Verharmlosung oder allzumenschlichen Zeichnung des Diktators; vielmehr vertraut der Regisseur nicht der Subversion seines eigenen Drehbuchs. Fortwährend sucht er neue Finten, Abwechslungen, so als wolle er sicher gehen, dass auch niemand diesen Hitler zu ernst nimmt. Die Lehrstunden Grünbaums werden von den NS-Oberen wie Goebbels und Himmler immer wieder durch eine hinter einem Bild verborgene Scheibe beobachtet. Dies sorgt zu Beginn für eine gewisse Komik, ermüdet den Zuschauer aber zusehends. Der Führer als willenloses Werkzeug seiner Untergebenen? Sylvester Groth weiß die Rolle des intriganten Propagandaministers mit dem linksrheinischen Zungenschlag über die volle Länge des Films nicht auszufüllen.

So bleibt unter dem Strich ein zwiespältiges Fazit zu Mein Führer. Als Komödie taugt der Film so leidlich, als Politikum allerdings kaum, denn Humor über Hitler gibt es, seit es Hitler gab. Darauf haben Kommentatoren in den vergangenen Wochen zurecht immer wieder hingewiesen. Und es gibt bessere Formen des Humors als Dani Levys Film. Sein Verdienst dürfte immerhin sein, mit seinem Projekt Neuland in Deutschland betreten zu haben und der Beschäftigung mit der NS-Zeit im deutschen Film eine neue Facette hinzugefügt zu haben. Durchaus darf man Mein Führer als humorvolle Replik auf Eichingers schweren (und daher so urdeutschen) Untergang sehen. Und ganz nebenbei darf Helge Schneider in einer Rolle überzeugen, die ihm außer Levy wohl niemand zugetraut hätte.(Roland Leithäuser)

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