In Schönheit sterben: „Hedda Gabler” (Alessa K. Paluch)

Henrik Ibsen: Hedda Gabler
Regie: Markus Dietz
Bühne & Kostüme: Franz Lehr
Mit: Julia Berke, Alexander Gamnitzer, Thomas Huber, Andreas Keller, Stephanie Schönfeld, Susanne Stein & Silvia Weiskopf
Premiere: 20. Januar 2007


Hedda Gabler – Tu es in Schönheit!

Der Fluch der Lächerlichkeit – meint Hedda – liegt auf allem, was sie anfasst. Dabei wünscht sie sich nichts mehr als Würde, Anmut, Mut und Macht.

Hedda Gabler (Stephanie Schönfeld), die verwöhnte Generalstochter, hat ihren Ehemann, den „netten“, wenig glamourösen Jörgen Tesman (Thomas Huber), schon nach der sechsmonatigen Hochzeitsreise satt. Zurück in der Heimat bricht die Vergangenheit in den Personen Richter Brack (Andreas Keller), einer von vielen Verehrern, und Thea Elvsted (Silvia Weiskopf), die Muse Eilert Lövborgs (Alexander Gamnitzer), Heddas Jugendliebe, über sie hinein. Letzterer ist zurück aus dem selbstgewählten Exil und der Abstinenz und möchte sein revolutionäres Buch veröffentlichen. Heddas „Versuch über die Macht“, als welchen Regisseur Markus Dietz das Ibsen-Stück am Schauspiel Leipzig inszeniert, beginnt.

„Einmal im Leben will ich Macht besitzen über das Schicksal eines anderen Menschen.“ Doch die Hedda Gabler der Stephanie Schönfeld ist erst einmal eher reaktions- als willensstark. Wie ein gefangenes Tier in seinem Käfig belauert sie ihren Mann, ihre Gäste. „Verführt“ diese geradezu zu den Antworten auf ihre listigen Fragen. Stephanie Schönfeld streift energisch, unterdrückt hysterisch durch Tesmans Salon – markiert durch vier Clubsessel im Bühnenraum, einem hohen Quader mit auseinander schiebbaren Seiten, auf denen innen und außen ein undurchdringlicher Birkenwald gemalt ist (Bühne und Kostüm: Franz Lehr). Diese sehr schöne Trostlosigkeit scheint Hedda aggressiv zu machen: Sie hat sich ihr Leben anders vorgestellt. Tatsächlich ist hier wenig Subtiles und alles eindeutig: Wird Hedda begehrt, wird sie begrapscht. Ist Richter Brack fies, fläzt er sich breitbeinig im Sessel. Muss Thea Elvsted feststellen, dass Lövborg sie versetzt und damit sein Wort bricht, regnet es vom Schnürboden und sie steht da wie der sprichwörtliche begossene Pudel. Während des dämonischen Akts der Manuskriptverbrennung ist Hedda – unnötigerweise – nackt und mythisch wie eine antike Opferpriesterin. Und ist Lövborg danach am Boden, ist er es wortwörtlich. Alles Gesagte und jegliche Taten werden so von den Gesten verstärkt und leider überzeichnet. Heddas Bitte an Lövborg, sich „in Schönheit“ umzubringen, kommt da verständlicherweise nicht von Ungefähr.

Doch Heddas mit vollem Körpereinsatz begangene Machtspiele wandeln sich im vierten Akt in bitteren Ernst. Dietz‘ Inszenierung dieses letzten Aktes entschädigt dann auch für die vorherigen hysterischen Geplänkel, deren Dringlichkeit nicht immer nachzuvollziehen sind. Vielmehr wird die Bedrohung, die aus der Ernsthaftigkeit der Situation entsteht, fast physisch spürbar. Der „unschöne“ Tod Lövborgs, die ekelhafte Zudringlichkeit Bracks, der Verlust der Kontrolle über alles in ihrer Umgebung lassen Heddas letzten Schritt plausibel werden: Ihr Selbstmord ist sowohl Flucht aus der Lächerlichkeit als auch ihr Beweis dafür, dass es die Möglichkeit „in Schönheit“ zu handeln, doch gibt.

(Alessa Paluch)

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