Wolfgang Engels „Wallenstein”: Ein Feldzug durch Leipzig (Alessa K. Paluch)

Wallenstein
Schillers Wallenstein-Trilogie – Ein Feldzug durch Leipzig
Schauspiel Leipzig
Regie: Wolfgang Engel
Bühne: Horst Vogelgesang
Kostüme: Katja Schröder
Mit: Stefan Schießleder, Aleksandar Radenkovic, Katharina Ley, Matthias Hummitzsch, Martin Reik u.a.
Premiere: 3. März 2007


Wallenstein – (k)ein Event!

Die Erwartungen waren nicht sonderlich hoch, waren sich doch so gut wie alle Kritiker einig über Wolfgang Engels Wallenstein-Inszenierung. Die Werbetrommel ist ordentlich gerührt worden, so kamen selbst Kritiker aus dem tiefsten Süden – wie es schien zum ersten Mal – nach Leipzig. Diese erwarteten einiges und konnten nur enttäuscht werden.

Und man muss zugeben: Diese Wallenstein-Inszenierung ist nicht der Event, den man vermutet. Zum Glück. Denn man bekommt etwas Besseres: Die ersten beiden Teil dieses Abends, welche bei Schiller die letzten sind, können getrost als qualitativ hochwertiges Sprechtheater bezeichnet werden. Engel legt sein Hauptaugenmerk auf den berühmt-berüchtigten Herzog, auf das Problem der Treue, des Treuebruchs, der Ehrbarkeit und der Freundschaft. Die Konflikte, die sich aus der persönlichen Liebe und den geleisteten Schwüren ergeben, werden bei Engel zwingend und absolut nachvollziehbar in Szene gesetzt.

Stefan Schießleder als Wallenstein hat alles, was einen charismatischen Heerführer ausmacht. Der
Starkult um diesen ist exzellent inszeniert, alle lieben ihn und wollen von ihm geliebt werden. Man kann das nur allzu gut nachvollziehen. Einziges Manko an diesem Fürstendarsteller ist sein Alter: Immer dann, wenn er den Familienvater und Ehemann gibt, widerspricht seine sonst so verführerische Jugend leider zu offensichtlich der Dramaturgie des Stückes. Ein weiteres Glanzlicht der Inszenierung ist der Jungschauspieler Aleksandar Radenkovic, der Darsteller des Max Piccolomini. Genauso wie es ein schauspielerischer Genuss ist, Schießleders Wallenstein jedwede Sicherheit und jedwedes Vertrauen verlieren zu sehen, ist es eine helle Freude, Radenkovics Piccolomini im Kampf um die Liebe Wallensteins und dessen Tochter Thekla (Katharina Ley), seines Vaters (Matthias Hummitzsch) und um seinen Ehrbegriff zu beobachten. Überhaupt zeichnet sich das Ensemble vor allem durch seine ernsthafte Spielfreude aus. Ihm ist die überzeugende Kraft der ersten beiden Teile zu zuschreiben.

Ärgerlich ist nur, dass Intendant und Regisseur Engel anscheinend nicht auf sein Ensemble allein vertrauen will. Es wäre ein eindringlich dichter, in den Bann ziehender Abend geworden, hätte man nicht von der Baumwollspinnerei, in deren Halle 14 der erste Teil spielt, ins Schauspielhaus fahren, dort noch eineinhalb Stunden bis zum zweiten Teil warten müssen, der dann wiederum von einer Pause unterbrochen wurde. Zumindest die Theatergastronomie kam wohl auf ihre Kosten. Außerdem gab die Kulisse der Halle 14 auch nicht so viel her, als dass man nicht auch auf sie hätte verzichten können. Schließlich wurde sie nicht anders bespielt als die Schauspielhausbühne im zweiten Teil. Leider ist auch der dritte Part, bei Schiller der Anfang der Trilogie, eher ein nettes Nachspiel als ein zwingender Teil des Ganzen. Wallensteins Lager ist ein halbstündiges Rapkonzert auf dem See vor dem Völkerschlachtdenkmal. Diejenigen im Publikum, die den Event erhofften, nicken freudig mit den Köpfen mit, so wie ihre Enkel. Dramaturgisch mag das Konzept von der „rappenden“ Unterschicht aufgehen: Schiller nutzte den uneleganten Knittelvers, um genau solch ein Bild des einfachen Volkes zu malen. Aber in dem Moment, wo derartiger Rap im Schauspielhaus unter der Regie eines 60jährigen angekommen ist, kann das Ganze nur noch lächerlich wirken. Das Geschenk, was Engel zum fünfzigsten Geburtstag des Schauspiel Leipzig macht, geht hier wohl an die Schauspieler, von denen man schon seit längerem vermutet, sie wären lieber Rockstars geworden: Tobias J. Lehmann, Jörg Malchow (der seinen Part wirklich gut macht) und allen voran Martin Reik, den man die vorherigen Stunden als Feldmarschall Illo sah. Zwar ist der dritte Teil nicht ganz so hochnotpeinlich wie man jetzt vermuten könnte, aber auch hier gilt: Weniger wäre mehr gewesen.

Was von diesem langen Abend bleibt, ist der Eindruck des präzisen, den Schauspieler betonende Sprechtheater, welches doch am schönsten in vier Stunden auf einer einzigen Bühne zur Geltung gekommen wäre. So verspricht die Wallenstein-Mega-Inszenierung ein Ereignis, einen Event, und ist schlussendlich doch „nur“ ausgezeichnetes Sprechtheater.

(Alessa K. Paluch)

Ein Kommentar anzeigen

  1. 07. Juli 2007

    hallo jule,

    gut am wallenstein ist erstmal das versmaß – das gibt einigen schauspielern mehr form als sonst.

    der völki-teil ist dummes touri-theater, der rappart richtig hübsch sozialpädagogisch.

    stefan schießleder ist großartig, einige szenen scheinen mir sehr präzise inszeniert.

    tatsächlich sticht da der schauspiel-leipzig teil (2.teil) heraus.

    tja, una das völki…schade um den wallenstein und das denkmal. ganz schlecht

    liebe grüße

    Meikel DU

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