Langer Schatten deines Schmerzes: Kanazawa Butohkan – „The sea of memories” (René Seyfarth)

Kanazawa Butohkan: The sea of memories
Im Rahmen von OHAYÔ, JAPAN! – Festival für japanisches Theater
Lindenfels Westflügel
Von und mit: Yamamoto Moe & Shirasaka Kei
Deutschlandpremiere: 11. Juli 2007
www.spacelan.ne.jp/~butohkan


Der lange Schatten deines Schmerzes ist mein Platz

Der Anfang ist das Ende: ein Toter, eine Lebende. Das Stück ist Rückblende. Nun könnte man annehmen, es handle sich um die Witwe des Toten und in Folge wird sich die Erinnerung an das gemeinsame Leben abspulen, das Kennenlernen, die Liebe, die traute Zweisamkeit. Doch mitnichten. Vor allem Bilder von Einsamkeit und Schmerz bauen sich auf und führen durch ein oder beider Leben. Und obwohl der Druck, die Demütigung und die Bedrängnis von einem unbekannten Außen mit steigendem Alter zunimmt, das Staunen und das Spiel immer mehr verschwinden, wandelt sich der Umgang mit dem Schmerz. Misstrauen flackert durch die Minen. Die Figuren, die sich ablösen und umkreisen, sind sich selbst im Moment der körperlichen Nähe fern, ein Ineinanderspielen und Miteinander will sich nicht einstellen. Erst im Augenblick der größten Angst und in einem letzten Aufbäumen des Noch-Lebens erkennen sie sich. Nicht mit dem Tod, sondern mit dem Erkennen des Anderen schwindet der Schmerz aus dem Gesicht.

Butô, zu deutsch „Tanz der Dunkelheit oder Finsternis“, ist eine vergleichsweise neue Theaterform, die seit 1959 entwickelt wurde und sich von jeher kritisch mit der Gesellschaft auseinandersetzt, das Dunkle und den Schmerz zum Thema hat. Um dies zu spüren, muss man dies nicht wissen – die Ausdruckskraft der Körper in einer derartigen Konsequenz, die eine Regung von der Drehung der Zehen bis in die Augenbraue fortpflanzt, macht dies überdeutlich. Jede Bewegung entspringt einem unsichtbaren Zwang, nichts wirkt willkürlich oder gewollt, sondern ist logische Folge einer entrückten Ordnung, die strenges Korsett ist. Die Gesichter, verzerrt zu Masken und Fratzen, sind der hilflose Ausgang von Getriebenen. Die darstellerische Kraft, die Yamamoto Moe und Shirasaka Kei auf der Bühne entfalten, ist kaum zu überschätzen, ihre perfektionierte Körperbeherrschung wirkt bis in die kleinsten Gesten. Bilder dieser Intensität sind selten. Schwarzblende und Punkt.

(René Seyfarth)


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