Was geht\’n draußen?

Vorwort zur neuen Street-Art-Kolumne

Pirat, gefunden in Zentrum-Süd

Herbst und Winter, das sind die Jahreszeiten, in denen sich das Leben in die Innenräume verlagert. Viel Zeit für Almanach-RezensentInnen, um Bühnen, Galerien, Säle und ähnliche Weihestätten in geschlossenen Räumen aufzusuchen. Diese Kolumne soll ein Gegengewicht bilden, vor allem zu der Weihe in den Stätten. Denn es passiert sehr viel auf der Straße. Vielleicht ohne Bratwurststand und Bierausschank. Und auch ohne Etikett „Achtung, Kunst!“ Manche nennen es Street Art, aber das ist schon zu viel Etikett. Graffitis, Spuckis, Aufkleber, Roll-Ons, Cut-Outs, Kreidezeichnungen, Subvertisement? Es gibt zu viele Labels. Wer bereits eine Street-Art-Ausstellung in einer Galerie besucht hat, mag vielleicht festgestellt haben, dass es – einmal in den Raum und Rahmen geholt – nicht mehr funktioniert wie draußen, anders funktioniert, eine andere Aufmerksamkeit genießt. Es ist und bleibt eine Domestikation. Und wenn der Berg nicht zum Propheten… usw…

Die Idee: Jede Woche wird eine kleine Kolumne erscheinen, die sich diesen Praktiken widmet. Ein Stadtteil, fünf Bilder. Wem die Idee gefällt, kann im Kommentarbereich be-, zu- oder abstimmen (je nach bevorzugter Herrschaftsform), welche Gegend die Nächste sein soll, die auf Zeichen im öffentlichen Raum abgeklopft wird. Dies soll vorerst bis Ende des Jahres getestet werden. Gibt es Feedback, geht es weiter.

Neulich in Leipzig: Ein Sprayer und Hiphopper hat ein Video ins Internet gestellt, auf dem man erkennt, wie er eine Bahnunterführung in Lützschena besprüht. Ein Bürger meldete diese Internetdatei der Polizei und wenig später wurde sein Gesicht sowohl in der LVZ wie auch auf den Monitoren der Straßenbahnen gezeigt. Es wurde aufgerufen, den Behörden bei der Suche nach dem Vandalen zu helfen. Der Hass gegen Sprayer ist in weiten Teilen der Bevölkerung größer als der auf braune Kameraden. Es stellt sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit.

Die Idee dahinter: Über verschiedenste Techniken der Raumumnutzung wird meist nur polarisiert diskutiert, entweder ist von Sachbeschädigung die Rede oder gleich von Kunst. Elias Canetti sagte mal „Nicht immer bis zum Letzten vordringen. Es ist doch so viel dazwischen.“ In diesem Sinne soll erkundet werden, was im öffentlichen Raum der Stadt geschieht, welche NutzerInnen ihn sich anzueignen oder ihn umzudeuten versuchen, mit welchen Techniken sie das tun und natürlich, welche Unterschiede es innerhalb der Stadt zu beobachten gibt (und es gibt sie, soviel kann verraten werden) und ganz beiläufig vielleicht auch: Wie sieht das aus? Gefällt mir das? Ist das schön? Ist das Kunst? Aber wie gesagt, das soll nicht im Vordergrund stehen. Man könnte auch einfach mal fragen: „Was kämpfst’n du für Emos, Alter?“

Die Street-Art-Kolumne:

Vorwort, 11.10.2007
Gohlis, 11.10.2007
Volkmarsdorf/Neuschönefeld, 21.10.2007
Connewitz, 28.10.2007
Zentrum-Süd/Niederkirchnerstraße, 04.11.2007
Sellerhausen-Stünz, 11.11.2007
Lindenau, 20.11.2007
Reudnitz-Thonberg, 09.12.2007
Plagwitz, 15.12.2007
Weihnachtsmarkt, 21.12.2007

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