Zeitportrait mit mäßigem Tiefgang

Gesellschaftsdrama und Biographie: „Talk to me”

Ausgangspunkt von Talk to me ist ein Gefängnis Mitte der 1960er Jahre in den USA, wo Petey Greene (Don Cheadle) zwei Mal täglich seine Mitinsassen als Radio-DJ unterhält. Aufgrund seiner direkten und ehrlichen Art spricht er offen aus, was viele zu dieser Zeit denken. Doch ist es nicht das erworbene Ansehen oder der Erfolg, die Petey antreiben nach seiner Entlassung eine Stelle als Radio-DJ anzustreben, sondern die Überzeugung von seinem Talent und dem Willen alles dafür zu tun.

Nach hartnäckigem Kampf bekommt er schließlich von Dewey Hughes (Chiwetel Ejiofor), Programmdirektor des Radiosenders WOL AM in Washington, die Chance sein Können live im Radio unter Beweis zu stellen. In einer Zeit des Umbruchs und der Bürgerbewegung in den USA trifft Petey mit seinen Moderationen den Geist der Zeit und der Menschen. Er wird zum Motor der Bürgerbewegung, gewinnt Einfluss und Ansehen über die regionalen Grenzen hinaus. Doch je weiter Petey auf der Ruhmesleiter nach oben klettert und je mehr er von Dewey Hughes, sein späterer Manager, angetrieben wird, umso mehr verliert er sich selbst.

Derjenige Zuschauer, der darauf zählt, bloß die Biographie eines bedeutsamen Menschen wie Petey Greene vorgesetzt zu bekommen, kann beim Kinobesuch nur verlieren. Denn Talk to me bietet viel mehr. Neben dem Haupthandlungsstrang, der Greenes Leben umfasst, spielen die wichtigen historischen Ereignisse in der Gesellschaft im Zuge der Menschenrechtsbewegung in den USA eine große Rolle. Durch die Verwendung von Nachrichtenbeiträgen aus den 60er Jahren gelingt es Kasi Lemmons, dem Zuschauer das Lebensgefühl dieser Zeit zu vermitteln und die Probleme der afroamerikanischen Bevölkerung nahe zu bringen.

Abgesehen von jenen äußeren gesellschaftlichen Gegebenheiten wirken auch die Figuren authentisch. Geschuldet ist dies den Schauspielern mit ihrer überzeugenden Leistung, sowie dem Kostüm und der Kulisse. In diesem Zusammenhang bleibt jedoch zu bemängeln, dass Vernell Watson (Taraji P. Henson), die Freundin von Petey Greene, überspitzt in knappen, provozierenden Outfits ganz im Stil der 60er Jahre dargestellt wird, was die Figur etwas flach wirken lässt. Davon abgesehen erzeugt ihre direkte und teilweise anstandslose Art mit Menschen umzugehen komische Momente in einem grundsätzlich ernsten Film. Somit stellt Lemmons die Figur Vernell Watson stark in eine humoristische Ecke, deren Charakter im Verlauf des Films jedoch zunehmend an Tiefe gewinnt.

Was zu wenig herausgearbeitet wird, ist der innere Konflikt Peteys. Der dargestellte Kampf, den er für die Menschen führt und der zu einer von ihm ungewollten Veränderung seiner Position in der Gesellschaft führt, ist rein äußerlich, auf der Straße, im Radio. Die innere Auseinandersetzung scheint nur in kurzen Momenten auf. Insgesamt lernt der Zuschauer nur den öffentlichen Menschen kennen und kann wenig in dessen privaten Bereich hineinschauen. Demzufolge erreicht Lemmons keine vollständige Identifizierung mit der Hauptperson, was allerdings dem Vorhaben, Biographie und Drama in zwei gleichberechtigten Strängen zu verbinden, geschuldet sei. Aufgrund der Fokusverlagerungen zwischen Biographie und Bürgerbewegung fehlt die enge Auseinandersetzung mit der Figur um eine dramatische, emotionale Tiefe zu erzeugen. Allerdings finden sich mit den Geschehnissen der Bürgerbewegung ausreichend emotionalisierende Ereignisse um den Spannungsbogen aufrechtzuerhalten. Auch die Musik steuert einen wesentlichen Teil zur Dramatisierung der Handlung bei.

Insgesamt bleibt zu sagen, dass Talk to me als Mischung aus Gesellschaftsdrama und Biographie eine interessante Kombination darstellt. Hierbei kann nicht erwartet werden, dass Kasi Lemmons alle Aspekte der unterschiedlichen Genres erfüllen und alle Informationen der historischen Ereignisse gleichermaßen wiedergeben kann. Vielmehr resultieren aus dieser Kombination neue Möglichkeiten, die Kasi Lemmons zu einer sehenswerten umfangreichen Darstellung ihres Themas zu nutzen wusste.

Talk to me

R: Kasi Lemmons
B: Michael Genet & Rick Famuyiwa
D: Don Cheadle, Chiwetel Ejiofor, Taraji P. Henson, Martin Sheen u.a.
US 2007 – 118 min

Kinostart: 7. Februar 2008


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