Spinn\’s noch einmal, Kurt!

Der neue Mond(augen) over Plagwitz ist erschienen

Er hat was von Woody Allen. Kurt Mondaugen ist nicht nur eine ähnlich auffällige Gestalt, seine Welt dreht sich auch um Themen wie Psychoanalyse – meist in Verbindung mit einer bestimmten Frau – Religion, politische Bewegungen und den (Un)sinn des Lebens. Ebenso bewegt sich sein Humor zwischen intellektueller Trivialität, absurden Gedankenflügen und philosophisch-pragmatischem Alltag. Der Alltag, der spielt sich bei Woody Allen in New York ab. New York ist sein Nabel der Welt, sein Kosmos. Und der Kosmos des Kurt Mondaugen? Leipzig? Mitnichten! Connewitz, Grünau oder Gohlis – alles ganz weit weg. Kurt Mondaugen ist der Woody Allen von Plagwitz. Ausschließlich.

Also heißt sein neues Buch MOON OVER PLAGWITZ und ist eine Liebeserklärung an diesen diffusen Stadtteil, dessen Klischees er beleuchtet und dem er neue dazuerfindet. Weder ihm noch Co-Herausgeberin Sabine Wild, von der ein Teil der trashig-poetischen Fotos stammt, entgehen die Details, und so ist das Buch ganz nebenbei auch ein alternativer Stadtteilführer. Vor allem ist das Werk eine Mischung aus Poesiealbum, Erzählband und Ratgeber für hoffnungslose Fälle jeder Art.

Wer das Buch zu lesen beginnt, wird es höchstens kurz aus der Hand legen, um die wohnungsinterne Bedürfnisanstalt aufzusuchen, dort gleich weiterlesen und am Ende zufrieden feststellen, dass man eine Menge Wissen aufnehmen kann, ohne einen Deut schlauer geworden zu sein. Dann wird man sich kurz der Hygiene widmen, verzweifelt erkennen, dass man nicht als Plagwitzer/in geboren wurde und den eigenen Freitod in Erwägung ziehen. Das 12 x 21 cm dünne Bändchen schon tief im Rachen, fühlt man mit dem letzten Rest Sauerstoff im Hirn die Möglichkeit eines Tapetenwechsels an den Karl-Heine-Kanal aufblitzen. Und spätestens mit der vom Autor proklamierten Abspaltung des ehemaligen Industriestandortes vom Rest Europas wäre man ein assimilierter und offizieller Bürger der heutigen Galerien-Boomtownship. Dann sollte man aber unbedingt den Refrain der Plagwitzer Internationalhymne beherrschen, der da lautet:

Moon over Plagwitz –
fly through the Space
Moon over Plagwitz –
my Nirvana Place.

Folgende Erläuterung möchte ich an der Stelle aus dem Buch zitieren:

„Der Refrain (…) ist auf Englisch gehalten, auf Ausländisch also – und zwar deshalb, weil darin einerseits das Plagwitzer Multikulti-Feeling zum Ausdruck kommen soll, und andererseits deshalb, weil die versprengten Plagwitzer und Lindenauer Nazis diese Hymne dann nicht mitsingen und das Ganze irgendwie großdeutsch vereinnahmen können!“

Wer zweifelt da noch an der Notwendigkeit, Kurt Mondaugen zum König von Plagwitz zu wählen, oder bei Misslingen der Separation zum nächsten Leipziger Bürgermeister, oder wenigstens zur künftigen Bundeskanzlerin unserer Republik? Doch politischen Ernst mal beiseite. Und stattdessen MOON OVER PLAGWITZ gelesen und einmal im Leben gelacht bis der Notarzt kommt.

Aber was steht nun eigentlich auf den 166 Seiten? Na, „Das Blaue Gedicht“ und „Von den Toten lernen!“ und all das andere Zeug aus Mondaugens psychodingsen Leseshows. Und noch viel mehr. Und ganz viele Bilder sind da drin, für die Faulen und Fernsehgucker unter uns. Und jetzt Glotze aus, ins NOCH BESSER LEBEN oder so und nach einem sehr großen und sehr dünnen Typen Ausschau halten, wahlweise mit Fliegermütze. Nach DEM Buch fragen und, wenn noch nicht vergriffen, am Stück kaufen. Grammweise is nicht, ist ja kein Stoff – oder doch? Egal. Schluss jetzt.

Kurt Mondaugen & Sabine Wild (Hg.): MOON OVER PLAGWITZ
Bild-Roman
Edition PaperONE
Leipzig, 2008
166 S. – 9,95 €
www.editionpaperone.de

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