„Fight Night” zeigt die befreiende Wirkung des Tanzes (Steffen Kühn)

Fight Night
Dschungel Wien – Theaterhaus für junges Publikum
Künstlerische Leitung: Karin Steinbrugger
Idee: Heinz Janisch
Konzept/Choreografie: Karin Steinbrugger / Martina Haager
Musik: Martin Kratochwil, Sebastian Radon
Produktion: Sonja Haupt & Nikolaus Selimov
TänzerInnen: Amadeus Berauer*, Leonie Bruckner, Ben Feigl, Mascha Haupt, Mira Kapfinger, Manuela Kotowska, Aurora Orso, Marco Payer, Julia Polt, Sebastian Radon, Kun-Chen, Shih*, Andrea Stotter*, Natalie Trs*, Dorothea Zeyringer (*Mitglieder Company homumculus)

Premiere 4. April 2008

Die befreiende Wirkung des Tanzes

„Dschungel Wien“ ist Teil des umfassenden Kinder- und Jugendprogramms im Wiener Museumsquartier. Seit ein paar Jahren gehört dieses farbige Treiben im östlichen Hof des ehemaligen kaiserlichen Hofstalls mitten im Zentrum von Wien zum festen Bestandteil der unzählbaren künstlerischen Institutionen zwischen Hochkultur und freier Szene, zwischen staatlicher Förderung und privatem Mäzenatentum. In enger Zusammenarbeit mit den Schulen und Gymnasien der Stadt werden Projekte rund um die Fragen und Befindlichkeiten der Heranwachsenden wie Gewaltbereitschaft oder Umgang mit Menschen anderer Herkunft entwickelt. Fight Night dreht sich um Fragen der eigenen Präsenz, der Hierarchiebildung in der Gruppe.

Der Starfaktor sei heute einfach größer geworden, meint Heinz Janisch, Kinderbuchautor und Ideengeber des Projekts Fight Night: „Das steckt ganz stark drinnen in den Menschen – diese Lust auf Scheinwerfer und Applaus. Aber nicht nur bei den Jugendlichen. Sobald eine Gruppe zusammenkommt, gibt es diese Strategien und Spiele. Wie präsentiert man sich, was erzählt man von sich, wie zeigt man seine Erfolge, welche Visitenkarte legt man quasi vor. Ich glaube, dass Fight Night überall passiert. Überall steigt man in den Ring hinein und schaut, wie behauptet man sich“.

Der Boxring, der Fight darin Mann gegen Mann, Frau gegen Frau ist die Klammer der in schneller Folge ablaufenden Szenen. Einfachste Mittel wie etwa die Nummern der gerade laufenden Szene werden dabei auf kreative Weise eingesetzt: der Streit um das Schild mit der Nummer Eins, doch wer will schon (die) Sechs haben, später steht die Zahl auf der nackten Haut, unter den so arg wichtigen Klamotten, Gelegenheit zum gegenseitigen unter-den-Pulli-Schauen mit all seinen Reizen und Ängsten, die sich daraus ergeben. Die Tänzerinnen und Tänzer erreichen eine kribbelnde Präsenz beim vorwiegend jungen Publikum, ständig wird getuschelt und gelacht, an der Stuhlkante klebend ist an ruhiges Sitzen nicht zu denken. Am berührendsten die Szenen, wo es der Inszenierung gelungen ist, dass sich die Jugendlichen auf entwaffnende Weise völlig öffnen: ein warmes freies Lächeln durch die Zahnspange, der leidenschaftliche Kuss nach Momenten der Verunsicherung und Angst. Aber auch vor einfachem Klamauk scheut sich die Inszenierung nicht, wie beispielsweise die Show Österreich-sucht-den-Schimpfwort-Superstar oder Boxkämpfe mit verbundenen Augen. Die vier Mitglieder der Company homumculus spielen wie wahrscheinlich auch während der Erarbeitung des Stückes irgendwie weiter die Betreuer und Mentoren, was reizvoll ist, da es im Kontrast mit den völlig frei agierenden Jugendlichen noch mal verdeutlicht, wie unmittelbar die jungen Erwachsenen von der Thematik des Stückes betroffen sind.

Die befreiende Wirkung des Tanzes konnte man heute Abend auf eindrücklichste Weise erleben, unvergesslich das Bild des Schlussapplauses, diese glücklichen Gesichter, etwas geschafft zu haben, für sich selbst, aber auch und natürlich für das tobende Publikum!

(Steffen Kühn)

Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.