Höflicher Applaus, braves Dirigat

Das Gewandhausorchester unter Ehrendirigent Herbert Blomstedt spielt Bruckner und Bartel im Großen Concert

Ein neues Violinkonzert und eine Bruckner-Sinfonie: Das Programm verspricht Innovatives mit Bewährtem zu verbinden. Das Violinkonzert stammt quasi aus Leipzig, denn Komponist Hans-Christian Bartel war über 30 Jahre lang Solo-Bratscher des Gewandhausorchesters. Eben dieses Orchester führt sein Werk nun auch ausgerechnet unter dem ehemaligen Gewandhauskapellmeister Herbert Blomstedt auf – ein Heimspiel also, außer für den österreichischen Solisten Thomas Zehetmair. Der beginnt das in seinem Auftrag entstandene Violinkonzert mit leisen, melodiösen Linien, unterstützt von der Harfe. Bartel setzt das Orchester sehr sparsam und kammermusikalisch ein, oft tritt die Solovioline mit Orchestersolisten oder ganzen Instrumentengruppen in einen Dialog, meist begleitet von leisem Pizzicato in den Streichern. Zehetmair hat also genügend Raum, um seinen Klang zu entfalten – und genau darauf kommt es an, denn von einer funkensprühenden Bravournummer ist das Werk weit entfernt. Die durch Haltetöne in Doppelgriffen entstehende Ruhe spinnt die vereinzelten rasanten Figuren in den beiden Ecksätzen regelrecht ein, den Kontrast dazu bietet der Mittelsatz „Scherzo“. Wunderbar wird er vom Duett von Solovioline und Piccoloflöte begonnen, die sich in höchster Höhe gegenseitig zum Tanz auffordern, und sofort fliegen auch Tanzmusikfetzen durch das Orchester, bis sich alle in clusterartigen Klängen zusammenfinden. Thomas Zehetmair, der durch seine Zurückhaltung eher ein Teil des Orchesters statt Solist zu sein scheint, beeindruckt vor allem durch saubere Doppelgriffe, die Bartel (wie auch Glissandi) gerne und oft einsetzt. Der Applaus ist höflich.

Anton Bruckner dagegen hörte von seiner zwischen 1879 und 1881 komponierten 6. Sinfonie zu Lebzeiten die beiden Ecksätze nur bei einer Probe und die beiden Mittelsätze in einem Konzert der Wiener Philharmoniker. Da es keine weiteren Aufführungsmöglichkeiten gab, existiert – für Bruckner ungewöhnlich – nur eine Fassung. Blomstedt dirigiert auswendig und kümmert sich nun ohne störendes Pult mit liebevollen Gesten um diese oder jene Streichergruppe. So kann der intensive Klang der Streicher vor allem zu Beginn des 2. Satzes überzeugen und lässt anfängliche Klappereien zu Beginn des 1. Satzes vergessen. Besondere Glanzpunkte setzt das Blech mit präziser Artikulation im Zusammenspiel immer wieder im 3. Satz, ohne das Werk dabei zum Blechsolo mit Orchesterbegleitung zu machen. Blomstedts leichtes und federndes Dirigat lässt aber auch keine Zügellosigkeit aufkommen und die Sinfonie gerät insgesamt etwas zu brav.

Großes Concert

Hans-Christian Bartel: Konzert für Violine und Orchester (UA)

Gewandhausorchester Leipzig
Anton Bruckner: 6. Sinfonie A-Dur
Violine: Thomas Zehetmair
Ehrendirigent: Herbert Blomstedt

26. Oktober 2008, Gewandhaus, Großer Saal

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