Gang auf Wolken

Beim Designers Open gibts Mode zum Schauen

Mit Staunen reagieren viele Besucher, die an diesem Abend zum ersten Mal die beiden neobarocken Festsäle des Hotel de Pologne betreten. Die reich verzierten Räume erstrecken sich in ihrer Höhe über drei Etagen des fünfstöckigen Gebäudes. Mannshohe Kronleuchter hängen von den Decken, deren üppige ornamentale Ausstattung beinahe erdrückend wirkt. In den heruntergekommenen Sälen ist der Glanz früherer Ballnächte spürbar, die ehemalige Pracht verbirgt sich jedoch hinter einer dicken Schicht schmutzig-grünlicher Farbe. Nur an manchen Stellen wurden bereits Teile der großflächigen Wand-und Deckenmalereien freigelegt, Engel schauen von oben auf den Betrachter herab. Ein ambivalenter Ort für einen „Walk on Air“.

Auf Wolken laufen – unter diesem Motto präsentieren deutsche Modelabels in den Festsälen des Hotel de Pologne in der Hainstraße ihre aktuellen Kollektionen. Damit wird das von Arno Roßbach 1890 gestaltete ehemalige Hotel nach langem Leestand erstmals wieder der Öffentlichkeit zugänglich. Als Teil des Rahmenprogramms der Designers Open 2008 zieht der „Walk on Air“ zahlreiche Besucher an, das Publikum ist gemischt – bekannte Gesichter aus der Kunst- und Kulturszene, gestylte Fashionvictims und lässig gekleidete Modeinteressierte. Die Spannung steigt, als die Band „Chapeau Claque“ aus Erfurt unter anderem Lieder ihres neuen Albums „fabelweiss“ präsentiert. „Electro-chanson-pop-romantik“, eine Beschreibung vom myspace-Auftritt der Band, passt perfekt auf ihren Stil. Die Stimme von Sängerin Maria Antonia Schmidt erinnert streckenweise stark an die von Tory Amos. Passend zur Musik und zum Motto des Abends trägt die Frontfrau ein luftiges Kleid, besetzt mit weißen Federn.

Als es endlich losgeht, drängen sich die Besucher dicht an den Laufsteg, wer einen Platz direkt davor ergattert hat, sieht die Models hautnah vorrübergehen. Mit ihren schwindelerregend hohen Absätzen haben sie teilweise Mühe, sicher auf dem weichen, weißem Teppich zu gehen, der den Boden des Laufstegs bedeckt. Bedauerlicherweise produziert die Nebelmaschine im hinteren Raum so viele Wolken, dass die Modells dort nur noch schemenhaft zu erkennen sind, Stoffe und Farben der Kleider verblassen. Die Kollektionen spiegeln sehr unterschiedliche Ansätze – neongelbe Träger halten Kleider aus silbrig glänzenden, hauschdünnen Stoffen, an anderen Modellen hängen die knalligen Bänder als Blickfänge am Saum. Alltagstaugliche, urbane Kombinationen mischen groben Strick mit schimmernden Kapuzenpullovern und zarten Faltenröcken. Man sieht elegante und sportliche Overalls in schwarz, weiß und creme. Insgesamt überwiegen gedeckte Töne, aus dem Zusammenklang verschiedenster dunkler Stoffe blitzt es ab und zu neonfarben auf. Die Silhouetten sind figurbetont. Lässig und zurückhaltend tritt die Herrenkollektion auf, sie überrascht jedoch auf den zweiten Blick mit asymmetrischen Schnitten und kleinen Hinguckern.

Schade nur, dass die Models so gar nicht den Eindruck machen, als ob sie auf Wolken gehen würden. Eher steif und angespannt bewegen sie sich bedächtig, ohne auf den Rhythmus der Musik zu achten. Am Ende der Show hätte man gerne die Designer kennen gelernt, so bleibt dem Laien unklar, welche der teilnehmenden Labels zu welchen Stücken gehören. Dafür bietet die Designers Open in den Streifenhäusern die Möglichkeit, sich unter den ausstellenden Modemachern auf die Suche nach den favorisierten Stücken zu begeben.

Walk on Air
Hotel de Pologne
23. Oktober 2008

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