Älter werden wir ja alle

Battle Royal eröffnen mit „Soft Landing“ die Tanzoffensive im Lofft

Eine abwechslungsreiche Perspektive auf Tanz (Fotos: Christian Glaus)

Verlassen steht eine Figur am Bühnenrand, dessen Raum von träumerischem Licht erfüllt vor uns liegt. Bleibt ihr Gesicht verborgen, erkennen wir doch ihren Zustand, denn sie trägt die Maske eines alten Menschen, dessen Züge uns eingefallen und stumm entgegen blicken. Die Gitarre über ihren Schultern erzeugt leise Klänge und wiegt uns in der Vermutung, dass es nun zu Ende ist. Auch die Figur kann nichts weiter tun, als zögernd im Takt zu wippen um sich schließlich zu verbeugen. Eine sanfte Landung zur Erkenntnis, dass wir nun am Ende sind.

Es könnte sein: Wir sind älter geworden. Dem vorausgegangen ist eine getanzte Geschichte der Gruppe battle royal, das Debut der Tanzoffensive im Lofft, die sich nichts Geringeres als eines der elementarsten Phänomene des Lebens zum Gegenstand gewählt haben: Vergänglichkeit. Mit hoher tänzerischer Präzision, akrobatischer Virtuosität und gefühlvollen Tönen läuten sie ein, wovor wir uns nur schwerlich bewahren können, wenn wir nun schon erst geboren worden sind. Am Leben sein, älter werden, sterben. Vielleicht sind wir aber auch ganz jung geblieben. Über diese Tatsache kann lässt es sich durchaus ermattet in den Seilen hängen.

Weiße Quader bilden den minimalistischen Hintergrund, vor dessen Bild sich das Altern vollziehen soll. Eine Figur betritt den Raum, wir erkennen sie durch die schon erwähnte Maske. Bald darauf gesellen sich Andere zu ihr, alle tragen sie ihr Alter auf den Schultern. Bald wird deutlich, dass hier Marionetten am Werk sind. Zuweilen wird eine von den Armen der anderen durch den Raum gezogen, auf den Boden gelegt, auf einen der weißen Quader platziert oder ans Seil gebunden. Dort vollziehen sich Schauspiele, die zweifellos schön anzusehen sind: TänzerInnen schweben so ausgezeichnet über den Bühnenboden, wie es sich nur erwarten lässt, bewegen sich in eindrucksvollen Choreografien durch den Raum oder drehen nebenbei wagemutige Pirouetten in der Luft. Beständige Lichtwechsel folgen der kunstvollen Qualität des Stückes, die nur noch durch die Musik von Bombazine Black, neben ruhigen Gitarrenklängen von Komponisten Matt Davis überboten wird.

Und doch könnte es sein, dass die vergangene Zeit an einigen von uns mehr oder weniger spurlos vorbei gegangen ist. Alle Elemente dieses Abend sind ausgestattet mit einem so hohen Maß an Integrität, dass es diejenigen ZuschauerInnen nur verwundert zurücklassen kann, die trotz allem nicht berührt worden sind. Wie es sich erklären lässt, warum der emotionale Funke obschon der Kunstfertigkeit aller Beteiligten doch nicht übergesprungen ist, bleibt schwer zu deuten. Möglich, dass der Übergang der einzelnen Szenen sich oft zu schnell vollzieht, vorhandene Spannungen kaum Entwicklung finden oder das Zusammenspiel der vielen poetischen Elemente schlicht zu viel erscheint.

Starke Momente bleiben solche, wo mit der Anmut gebrochen wird, humorvolle Szenen zum Vorschein kommen. Wenn es zum Beispiel darauf ankommt, endlich nachgiebig das Zeitliche zu segnen. Zwei der Gestalten halten hier jemandem in den Armen, den sie sogleich kopfüber in einen der weißen Kartons fallen lassen. Clowneske Szenen bestechen durch Einfachheit und Witz, wenn der Dritte im Bunde sich freiwillig in den zu kleinen Sarg zwängt, während sein Leidensgenosse im Sterbebett noch einmal die Hand zum Gruße erhebt.

Die akrobatische Qualität der Inszenierung versprüht mit Sicherheit einen ganz eigenen Charme und ermöglicht so eine abwechslungsreiche Perspektive auf Tanz, der üblich in Theaterlandschaften zu sehen ist. Wenn eine Tänzerin auf den Kopf ihres Partners balanciert und beide nach jeder Einlage die Hände wie im zum Tusch in die Luft strecken, sind das Momente, in denen diese Qualität ausgestellt, sichtbar und sinnlich wird. Schwer zu greifen bleibt jedoch letztlich die Bearbeitung des Themas, dessen sich dieser Abend verschrieben hat. Wenn auch die TänzerInnen immer wieder im Kampf mit sich selbst und den anderen zu sein scheinen, am Seil hängend Sprünge wie zum Aufbegehren wagen und doch immer wieder zurück geworfen werden. Auch wenn sie sich symbolträchtig einen weißer Wecker zuwerfen und ein Strauß Plastikblumen wie zum Abschied neben die Liegenden platziert wird – die Auseinandersetzung mit dem Altern scheint mit der Tatsache abgehandelt, dass sie eben Masken als dessen Zeichen tragen.

Vielleicht hätte ein Umgang mit Älter-werden als Prozess es zugänglicher gemacht, die Ängste, Stärken und Schwächen dieser Figuren zu erkennen. So wirken sie unbestimmt, bleibt es schwierig, sich auf sie einzulassen. Hätte sich das Thema dieser Aufführung also ebenso austauschen lassen können? Ließe sich vielleicht genauso gut annehmen, es handle sich schlicht um die Versammlung einer Exklusivgemeinschaft, mit all den Konflikten und Zerstreuungen, deren Erkennungszeichen zufällig diese Masken sind? Auch, wenn zwei von ihnen das alte Gesicht mit großer Gebärde ablegen, zwei junge Menschen zum Vorschein kommen, wird nicht ganz klar, warum sie das eigentlich tun. Bleiben wir jedoch beim Thema der Abends: Reicht es nun aus, einfach die Maske abzustreifen, um sich der kulturell überformten Vorstellung von „dem Alterungsprozess“ zu entledigen? Das wäre jedenfalls ein spannender Ansatz, der allerdings nicht deutlich zutage tritt.

Der Optimismus dieser Arbeit liegt wohl in der Leichtigkeit mit derer die TänzerInnen von battle royal über den Boden schweben. Wer jedenfalls von der Atmosphäre, dem kunstvollen Tanz und der Musik ergriffen wurde, ist sicher frohen Mutes und besonnen ein Stück gealtert. Und älter werden wir ja alle.

Tanzoffensive 2011 – Festival für aktuellen Tanz

7. – 14. Mai 2011


Soft Landing

Eine Produktion von battleROYAL unterstützt von Kulturstiftung Liechtenstein, Karl Mayer Stiftung, Dr. Peter Goop, Vaduz, Stiftung Fürstl. Kommerzienrat Guido Feger und Dock 11, Berlin.

Choreographie: Brendan Shelper in Zusammenarbeit mit den Tänzern

Mit: Beiro, Jonathan Buckels, Florian Bücking, Johanna Lemke

Gastspiel: 7. Mai 2011, Lofft


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