Hope and Glory

Friedrich-Rochlitz-Preis für Kunstkritik 2011, Platz 1 für Anja Scharruhn – Mit seinem aktuellen Programm „The romantic violinist – a Celebration of Joseph Joachim“ gastierte der 37-jährige Star-Geiger Daniel Hope im Gewandhaus

Daniel Hope (Foto: Harald Hoffmann / Deutsche Grammophon)

Es ist seltsam berührend, einem weltweit gefragten Solisten wie Daniel Hope in der nüchternen Atmosphäre eines Kammermusiksaals zu begegnen, fernab von Büchern, CD-Covern oder Videofilmen. Seriosität und Gelassenheit gehen von ihm aus, schon die ersten Töne brechen das Eis. Sein Ton ist dunkel und imponierend schön. Kraftvoll zieht er den Bogen über die Saiten, schlafwandlerisch sicher intonieren seine Finger, vor allem im ersten Teil. Unwillkürlich hält man den Atem an und registriert das verstohlene Raunen des Publikums.

In Verbeugung vor dem österreich-ungarischen Geigenvirtuosen Joseph Joachim (1831-1907), eine der zentralen Künstlerfiguren des 19. Jahrhunderts, konzipierte Hope ein bemerkenswertes Programm, das ein Stück Leipziger Musikgeschichte heraufbeschwört: Als Wunderkind von Mendelssohn-Bartholdy in die Bürgerstadt geholt und umfassend gefördert, stieg Joachim binnen weniger Jahre zu einem der angesehensten Interpreten zeitgenössischer Musik in Europa auf. Zeitlebens pflegte er beidseitig inspirierende Freundschaften zu Johannes Brahms und dem Hause Schumann. Es sei für ihn wichtig Musik darzubieten, die ihm auch persönlich etwas bedeute, äußerte Hope einmal. Parallelen im persönlichen Werdegang der zwei Geiger ließen sich leicht herstellen.

Drei Werke von Brahms bilden den Kern der kammermusikalischen Reise in die deutsche Romantik: Das Scherzo c-Moll aus der F.A.E.-Sonate, die berühmte Regenlied-Sonate in G-Dur sowie der Ungarische Tanz Nr. 5 g-Moll in einer Fassung Joachims.

Brahms klingt ein wenig anglophoner als sonst, aber erfrischend leidenschaftlich. Hope ist den kompakten Strukturen auch in gestalterischer Hinsicht gewachsen, weiß mit harmonischen Finessen, Lautstärken und Farben umzugehen. Im Ungarischen Tanz dreht er auf, zeigt sein virtuoses Können im Stile eines Zigeuners, ohne dabei die Contenance zu verlieren und den formbildenden Verlauf zu vernachlässigen.

Süßliche Romanzen von Clara Schumann und dem Widmungsträger ergänzen dieses Grundgerüst, sie verleihen dem sehnsuchtsvoll-düsteren Zeitempfinden Ausdruck. Hope überzeugt gerade in diesen einfacheren, formal entgrenzten Stücken mit seinen tonlichen Qualitäten. Gleiches gilt für die eigens bearbeiteten Mendelssohn-Lieder „Auf Flügeln des Gesangs“ und „Hexenlied“, die leider trotz des unternommenen Versuchs nicht ohne Texte auskommen. Die c-Moll Sonate von Edvard Grieg bringt durch den nordischen Tonfall zwar ein bisschen Abwechslung, hätte jedoch gern einem gewichtigeren Stück aus dem Konzertrepertoire Joachims weichen dürfen.

Wenngleich Violine und Klavier aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht immer harmonieren, so liegt der Reiz im Missverhältnis der Resonanzen, in der Unvereinbarkeit der Mittel und zugleich deren erfolgreichen Überbrückung. Seit längerem wird Hope von dem Pianisten Sebastian Knauer begleitet, der bei Gernot Kahl, Karl-Heinz Kämmerling und Philippe Entremont lernte. Doch bei aller technischer Versiertheit kann sein Spiel nicht immer an die Vorgaben des kongenialen Partners heranreichen. Tempoänderungen werden nur verzögert aufgenommen, die Artikulation fällt gelegentlich zu unterschiedlich aus. Dennoch, die Faszination überwiegt an diesem Vormittag und bis zur Signierstunde hat man kleine Makel fast wieder vergessen.

Konzert im Rahmen der Mendelssohn-Festtage

4. September 2011, Gewandhaus, Mendelssohn-Saal

Rückblick auf die Verleihung des Friedrich-Rochlitz-Preises für Kunstkritik 2011

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