Doppelgänger oder Doppelleben?

In der Performance „Twilife“ des „Cobratheater.Cobra meets Roy“ wird über die Rollen des Lebens und den Sinn dahinter spekuliert

Juliane Hahn und Clara Minckwitz (Fotos: „Cobratheater.Cobra meets Roy“)

Stellen Sie sich einmal vor, Sie sähen einem berühmten Schauspieler, einem beliebten Politiker oder einer verehrten Leistungssportlerin ähnlich und würden von Ihrem Umfeld auch darauf angesprochen. Was würden Sie tun? Als Doppelgänger durch die Lande tingeln und den Leuten vorgaukeln, besagte berühmte Persönlichkeit zu sein? Oder sich einfach geschmeichelt fühlen, ein Foto machen lassen und sein eigenes Leben wie zuvor weiterzuleben? Andererseits könnten Sie sich vorstellen, zwei Leben in einem zu führen und beide Leben entwickeln sich unabhängig voneinander und sind trotzdem untrennbar miteinander verbunden? Diese Fragen sind die Kernelemente der Performance Twilife der beiden Kulturwissenschaftlerinnen Clara Minckwitz und Juliane Hahn im Lofft.

In einer Mischung aus Fiktion und Realität beschäftigen sie sich mit der Frage um die Wahrnehmung und Ausprägung verschiedener Rollenbilder in einer Persönlichkeit. Einerseits geben sie spielerisch einen Einblick in das Doppelgängertum, erzählen über die komischen Seiten einer Person, der man ähnlich sieht, mit der man aber nichts gemeinsam hat. Andererseits lassen sie – persönlich oder als Sprecherinnen der gemeinten Person – Menschen zu Wort kommen, die tatsächlich ein Doppelleben führen mit allen Konsequenzen für das persönliche Umfeld.

Die Performance lebt einmal von live vorgetragenen Spielsequenzen, wie die Bewerbung von Julia Hahn als Steffi-Graf-Doppelgängerin bei einer Alibiagentur (ja, die gibt es tatsächlich). Ein anderes Mal berichten Menschen in Videoeinspielungen von ihren Erfahrungen als Doppelgänger oder über ihr Doppelleben, dass sie führen oder geführt haben. Ergänzt werden diese Interviews durch Experten, die erklären, welche Funktion Doppelgänger ursprünglich hatten oder welche Auswirkungen ein Doppelleben auf die eigene Psyche und das soziale Umfeld einer Person hat.

Die Performance hat dann ihre starken Momente, wenn die beiden Protagonistinnen einmal in die Rolle von Kristine Sonn schlüpfen und andererseits das Interview mit Salomea Genin gezeigt wird. Beide Frauen führen bzw. führten ein Doppelleben und sie sind als eine der wenigen bereit, den beiden Kulturwissenschaftlerinnen darüber zu berichten.

Kristine Sonn verliert durch die Kündigung ihre Arbeit in einem Reisebüro. Sie ist damit völlig überfordert: Nie hat sie damit gerechnet, gekündigt zu werden. Andere Menschen verlieren ihren Job, aber sie? Sie verweigert sich den Konsequenzen und verheimlicht fortan ihrer Familie die neue Situation. Jeden Morgen verlässt sie das Haus, um angeblich zur Arbeit zu fahren. Den Rest des Tages verbringt sie auf Raststätten und schlägt die Zeit tot, bis der Feierabend näher rückt und sie nach Hause zurückkehrt als sei nichts geschehen. Clara Minckwitz und Juliane Hahn erzählt Kristine Sonn ihre Geschichte und ihre Verzweiflung wird offenbar, wenn sie sich an Treffpunkten mit den beiden allerlei groteske Verkleidungen und Aktionen einfallen lässt, die ihr wohl helfen von der eigentlichen Ausweglosigkeit abzulenken. Ihr Konstrukt gerät ins Wanken, als die alljährliche Weihnachtsfeier ansteht und es unausweichlich wird, ihrem Ehemann ihre Situation zu erklären.

Salomea Genins Lebensgeschichte verläuft ein wenig anders. Sie ist überzeugte Kommunistin und wartet in den Anfangsjahren der beiden deutschen Teilstaaten in Westberlin auf die Ausreise in die DDR. Für Salomea Genin ist die DDR das gelobte Land. Während sie wartet, versteckt sie ihre politische Gesinnung so gut es geht. Die Zeiten sind angespannt und das gegenseitige Misstrauen zwischen kapitalistischem und kommunistischem Wertesystem überträgt sich zunehmend auf die einfachen Menschen. Auch Salomea Genin kann sich dem nicht entziehen. So wird sie, mehr zufällig, zur Verräterin, als sie sich anbietet Geld aus Westberlin in die DDR zu schmuggeln, um dem Geheimdienst der DDR die Hintermänner und die Empfänger des Geldes auszuliefern. Diese Tat, nur einmal ausgeführt, scheint Salomea Genin noch heute stark zu beschäftigen. Die Frage, ob sie damit anderen Menschen geschadet hat, vermag sie nicht zu beantworten.

Leider verliert die Performance dann an Niveau, wenn sie sich mit der Frage nach Doppelgängern beschäftigt. Der Bill Clinton aus Grünau und das Uwe-Ochsenknecht-Double sind nett anzuschauen. Aber es liegt nun mal im Auge des Betrachters, ob man den Mann von nebenan für den einst mächtigsten Mann der Welt hält. Absurd wird es, wenn diese beiden Kristine Sonn ihre Hilfe anbieten, weil sie vorgeben zu verstehen, in welcher Situation sie sich befindet.

Es ist ein kurzweiliger Abend im Lofft, der sich da dem Ende zuneigt. Während der Vorstellung wurde öfters gelacht über die absurden Erlebnisse von Doppelgängern und aufmerksam zugehört, bei den Ausführungen der Interviewten über ihr Doppelleben. Aber daran wird offenbar, was nicht stimmt an dieser Performance. Doppelgängertum und Doppelleben sind nun mal verschiedene soziale Konstrukte, die unmittelbar nichts mit einander zu tun haben. Ein Doppelgänger imitiert eine andere Person. Er tut dies oft ganz bewusst und mal mehr, mal weniger gut. Sicherlich verlieren sich manche Imitatoren auch in ihrer Vorzeigeperson. Am Ende ist es nur eine Phase im Leben, die nur selten direkte Auswirkungen auf das eigentliche Leben hat. Es ist eine Rolle, die man eine Zeit lang spielt. Ein Doppelleben dagegen ist Bestandteil einer Person. Es hat Auswirkungen auf die Menschen in ihrem direkten Umfeld und es begleitet die betroffene Person oft ein Leben lang. Genau diesen Unterschied kann die Performance nicht herausarbeiten und wird damit den eigenen Ambitionen wohl nicht gerecht.

Twilife

Produktion: Cobratheater.Cobra Meets Roy (Leipzig/Hildesheim) und Lofft

Regie: Clara Minckwitz, Juliane Hahn

Idee und Konzept: Livia Schoeler

Lofft; Premiere: 24. April 2014


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