Ein Slam für die Wissenschaft

Wer mimt den besten Dozenten? Das Schauspiel Leipzig lud Studierende auf die große Bühne

Fotos: Frank Schletter

Poetry Slam ist mittlerweile fast jedem ein Begriff. Laut Definition der Internetseite MySlam.net handelt es sich beim Poetry Slam zu Deutsch um einen Dichterwettstreit. Ein literarischer Vortragswettbewerb, in dem selbstgeschriebene Texte innerhalb einer bestimmten Zeit einem Publikum vorgetragen werden. Bewertet werden sowohl der Inhalt der Texte als auch die Art des Vortrags. Der Kernpunkt liegt hier also nicht allein in der literarischen Qualität, die Performance des Textes ist es, die den Slam zum Slam macht. Flüsternd, schreiend, hauchend, rhythmisch, unrhythmisch, Hauptsache die Vortragsweise passt zum gelesenen oder auswendig gelernten Text und unterstreicht ihn, haucht ihm die nötige Lebendigkeit ein. Ein Verwandter des Poetry Slam ist der Science Slam, bei dem sich alles um die Wissenschaft dreht.

Wer nun aber glauben sollte, der Science Slam ist das Gleiche wie der Poetry Slam, nur mit Wissenschaft, der verfehlt ganz knapp. Zwar geht es auch hier darum, seine Worte einem Publikum vorzutragen und dann auf dessen Wohlwollen zu hoffen. Aber der Science Slam stellt dabei einen geringeren literarischen Anspruch und auch die Performance scheint nicht in dem Maße von Bedeutung zu sein, wie sie es beim Poetry Slam der Fall ist. Es geht bei dem Kurzvortragsturnier darum, sein eigenes Forschungsthema in maximal zehn Minuten verständlich, anschaulich und möglichst mitreißend darzulegen. Requisiten jeder Art sind erlaubt, Hauptsache das Publikum wird mitgerissen und will nach dem Vortrag am liebsten selbst in die Forschung einsteigen. An diesem Abend im Schauspiel Leipzig war von ermüdend bis amüsierend-mitreißend jede Form des Lehrens vertreten.

Am 24. Mai 2014 gaben sich sechs Science-Slamer die Ehre und präsentierten ihre Forschungen. Die Spannbreite des akademischen Contents erstreckte sich von der archäologischen Ergründung von Bauernhöfen über die soziologische Hinterfragung der Liebe bis zur Krebsheilung. Thematische Besonderheit bei dieser Veranstaltung waren die drohenden Stellenstreichungen und Kürzungen von Geldern verschiedener Institute der Universität Leipzig, vertreten durch zwei Leipziger Science-Slamer.

Großen Überraschungs- oder auch Enttäuschungseffekt hat der Slam möglicherweise auf diejenigen, die mit der gleichen Erwartung wie an einen Poetry Slam im Publikum sitzen. Denn uninformiert über die Rahmensetzung des Slams könnte der Zuschauer auch meinen, er ist Opfer einer Wissenschaftler-Rekrutierung geworden oder in einen Lehrer-Wettbewerb geraten. Dabei scheint der Science Slam im Grunde genau darauf abzuzielen: Wer ist der bessere Lehrer/Dozent auf der Bühne?

Das ausgewogenste Zusammenspiel aus Unterhaltung und Wissenschaft hat nach persönlichem Empfinden Bo Wimmer, Soziologe aus Marburg, auf die große Bühne gebracht. Nach Punkten und Sympathie des gesamten Publikums, das ganz knapp die Hälfte des großen Bühnensaals füllen konnte, gewann die Medizin. Ein Berliner angehender Mediziner, hatte mit seinem Einstieg, „Penisverletzung bei Masturbation mit Staubsauger“, bereits nach der ersten Minute das Publikum auf seiner Seite und gewann mit nur einem Punkt Vorsprung gegen den Soziologen.

Neben der anschaulichen Vermittlung von Forschungsgegenständen und dem Wettbewerb, fand speziell bei diesem Slam ein weiteres Thema Platz. Die bevorstehenden Kürzungen der Gelder mehrerer Institute der Universität Leipzig. Dazu stellten sich die Leipziger Studenten Michael Feige, aus der Archäologie, mit seinem Thema „Die Architektur der römischen villae rusticae in Mittelitalien“ und der Theaterwissenschaftler Jonas Klinkenberg mit dessen Thema „Der Vormarsch der Narren – Vom Wegkürzen kultureller Praktiken in der Frühen Neuzeit“ appellierend und mahnend hinter das Mikrofon.

Science Slam

Nuria Cerda Esteban (Biochemie, 2. Platz Deutsche Science-Slam-Meisterschaft 2013 ): „Yo Zelle, was willst du werden wenn du groß bist“

Michael Feige (Leipzig, Archäologie): „Die Architektur der römischen villae rusticae in Mittelitalien“

Jonas Klinkenberg (Leipzig, Theaterwissenschaft): „Der Vormarsch der Narren – Vom Wegkürzen kultureller Praktiken in der frühen Neuzeit“

Hauke Prigge (Berlin, Quantenphilosophie & Quantenphysik): „Warum das Gehirn von Nazis zu 99,99 Prozent aus Leere besteht“

Bo Wimmer (Marburg, Soziologie): „Liebe am Ende des 20. Jahrhunderts“

Schauspiel Leipzig, 24. Mai 2014


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