Acht Frauen außer Rand und Band

Die Revue „Sekretärinnen“ feiert eine umjubelte Premiere an der Musikalischen Komödie

Von links nach rechts: Angela Mehling, Sabine Töpfer, Verena Barth-Jurca, Jeffery Krueger, Claudia Schütze, Anne-Kathrin Fischer und Carolin Masur. (Fotos: Kirsten Nijhof)

Ein Großraumbüro in der anonymen Großstadt, acht mausgraue Schreibtische mit der legendären Schreibmaschine Typ „Erika“ darauf und über alldem thront der Chef. Wenn man zu ihm gerufen wird, geht es für das Personal immer steil bergauf, aber auch genauso schnell wieder in den faden Büroalltag hinunter. Was fehlt denn noch? Ach ja, die arbeitende, vornehmlich weibliche Bevölkerung jedes Alters und jeder Erscheinung, die dieses Büro von 9 bis 18 Uhr in Beschlag nimmt. Dann kann es ja losgehen an der Musikalischen Komödie an diesem Samstagabend − die „Sekretärinnen“ feiern ihren Einstand.

So stellt sich das Publikum an diesem Abend acht Frauen, die unterschiedlicher kaum sein können, die aber der Beruf und das Private verbindet. Da gibt es die etwas trutschige, altgediente Sekretärin, die von Sabine Töpfer mit hochgetürmten Haaren verkörpert wird, mit ihrem Beruf hadert und daher ihren obligatorischen Bürokaffee gern mal mit Alkohol verfeinert. Da gibt es die gestrenge Vorzimmerdame mit Anna-Wintour-Gedächtnis-Bob, die sich als Chefin der weiblichen Meute entpuppt und mehr von ihrem Leben erwartet als mit ihrem Beruf verheiratet zu sein. Angela Mehling spielt ihre Figur herrlich überspannt und dennoch mit Herz, denn für ihre Kolleginnen will sie doch nur das Beste, auch wenn sie zwischendrin unschuldige Püppchen des Kopfes beraubt. Das etwas dümmliche, dafür umso attraktivere Blondchen, verkörpert von Verena Barth-Jurca, hat sich doch tatsächlich verlobt, kommt aber nicht umhin, lieber den neuesten Nagellack zu preisen. Allerdings wirft diese Verlobung doch gleich die Drama-Queen des Büros aus der Bahn, denn sie ist ja „nur“ die Geliebte des Chefs.

Dagegen liest die heißblütige Spanierin (Claudia Schütze) zu viel in ihren Kitschromanen von Liebe, Lust und Leidenschaft und ist ein wenig aufbrausend. Dann ist da die schon etwas in die Jahre gekommene, schwangere Blondine (herrlich naiv dargestellt von Anne-Kathrin Fischer), die immer und überall an das Gute glaubt und den kürzesten Weg zur Toilette sucht. Die depressive, nicht nur Tolstoi rezitierende Pagenkopf-Trägerin (Heike Fischer) ergänzt das Ensemble als Außenseiter in der Gruppe. Zu guter Letzt darf man nicht die Leinenanzug tragende Brillenschlange mit feuerroten Haaren vergessen, die entweder Kekse verteilend oder über dem Schreibtisch einnickend das Repertoire bereichert. Carolin Masur spielt diese Figur mit einem unglaublich komödiantischem Gespür und gibt sie doch nie der Lächerlichkeit preis.

So führt sich eine jede der Protagonistinnen trällernd in die Revue ein, ob mit Hildegrad Knef und den regnenden roten Rosen oder einem „Ich bin zu geil für diese Welt“ der Fantastischen Vier. Dieser Liederabend, von Franz Wittenbrink erdacht, durch Anna Evans für die MuKo inszeniert und musikalisch perfekt untermalt durch die Leitung von Susanne Fiedler, führt durch Jahrzehnte musikalischen Schaffens von den 1940er-Jahren bis zu Lady Gagas „Bad Romance“.

Das Publikum ist anfangs ein wenig unsicher: Was soll man von diesen Frauen halten, die alle das vorherrschende Klischee über den Sekretärinnenberuf erfüllen, die jammern, seufzen oder einfach nur die Situation verkennen. Naja, zumindest die Frauenquote ist hier voll und ganz erfüllt. Die kleinen Unsicherheiten mit dem Ton (die Sängerinnen sind manchmal zu leise im Gegensatz zu ihren auftrumpfenden Musikern, die mit viel Spaß und Saxophon eine gute Performance liefern) und mit der Inszenierung sind im ersten Teil des Abends noch zu spüren, doch je mehr dieser voranschreitet, desto mehr überwiegt die Spiel- und Sangesfreude beim Ensemble.

Einen ersten Höhepunkt bildet Jeffrey Kruger kurz vor der Pause, als er als nerdiger, tollpatschiger, von den Sekretärinnen eigentlich nicht beachteter Bürobote mit Eros Ramazottis „Se bastasse una canzone“ auftrumpft und ein stimmliches Volumen offenbart, dass es einen schier aus dem Sitz fegt. Da liegen ihm nicht nur die Sekretärinnen zu Füßen.

Nach der Pause ist das Publikum von der Aufführung restlos überzeugt und das Ensemble trumpft noch einmal richtig auf. So kommen die Interpretationen von Lady Gagas „Bad Romance“ als vielstimmiges revolutionäres Aufbrausen der acht Sekretärinnen gegen ihre Herabwürdigung als schnöde Geliebte und die Einforderung von „R-E-S-P-E-C-T“ gegenüber ihrem Beruf beim Publikum derart an, dass es dieses kaum noch auf den Sitzen hält. Am Ende noch einmal Jeffrey Kruger – frau würde jetzt meinen, dass der Mann immer das letzte Wort haben muss – der wieder unglaublich stimmgewaltig den Standpunkt klar macht: „It’s a man’s world“!

Das Publikum belohnt das sichtlich erleichterte Ensemble am Ende der Aufführung mit tosendem Applaus und stehenden Ovationen. Ein überaus gelungene Premiere, die mit einer Menge Witz und Esprit, aber auch einigen ernsten Momenten aufwartet und doch nie ins Lächerliche abrutscht. Wer Lust auf einen entspannten Abend mit Schlagern, Popmusik und Humor hat, dem sei diese Aufführung ans Herz gelegt.

Sekretärinnen

Musikalische Leitung: Susanne Fiedler

Inszenierung: Anna Evans

Mit: Verena Barth-Jurca, Nora Lentner, Carolin Masur, Angela Mehling, Anne-Kathrin Fischer, Sabine Töpfer, Claudia Schütze, Heike Fischer, Jeffery Krueger

Musikalische Komödie; Premiere: 31. Januar 2015


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