Bombenstimmung in Kabul

„Whiskey Tango Foxtrot“ schafft den Spagat zwischen Drama und Komödie nicht ganz. Trotzdem ist der Film über die Erlebnisse einer US-Kriegsjournalistin in Afghanistan sehenswert

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Tina Fey haucht ihrer Figur Kim Barker viel Authentizität ein. (Foto: Paramount Pictures)

Kim Barker ist kinderlos. Kim Barker ist nicht verheiratet. Kim Barker schreibt belanglose Reportagen über lokale Ereignisse. Und als Kim Barker eines Tages im Fitnessstudio feststellt, dass sich selbst ihr stationäres Fahrrad zurückbewegt hat, nimmt sie das Angebot ihres Senders an, für eine kurze Korrespondenz nach Afghanistan zu reisen. Aus 3 Monaten werden letztendlich Jahre. Und aus einem kriegsgeschundenen Land ihr Zuhause.

Whiskey Tango Foxtrot ist eine biographische Dramedy, welche auf den wahren Begebenheiten aus dem Leben von Kim Barker beruht, die ihre Erlebnisse in The Taliban Shuffle: Strange Days in Afghanistan and Pakistan niederschrieb. Der Film erzählt, wie Kim Barker, gespielt von Tina Fey, aus Lebensfrust ein Jobangebot als Kriegsjournalistin annimmt. Auf die Welt, in die sie hereingeschubst wird, ist sie überhaupt nicht vorbereitet. Mit einem orange-leuchtenden Rucksack geht sie auf Militärexkursionen oder schließt eine zweifelhaft-komische Freundschaft mit dem afghanischen Spitzenpolitiker Ali Massoud Sadiq (Alfred Molina). Spartanische Lebensbedingungen, Militärbriefings, Bombardement-bedingte Stromausfälle und Frauenfeindlichkeit gehören nun genauso zu ihrem Alltag wie ausschweifende Partys in der Journalistenunterkunft und ein farbenfrohes Repertoire an kreativen Schimpfwörtern (hier macht der Film seinem Namen alle Ehre). Zunehmend wächst sie in ihrer Rolle als Korrespondentin, und damit auch ihr Erfolg. Doch allzu bald steckt sie sich mit einer für jeden Kriegsreporter gefährlichen Sucht an: dem Rausch des Adrenalins. Und so werden die Schrecken des Afghanistankriegs für sie zur Normalität und die „Kabubble“ läuft Gefahr, sie völlig zu verschlucken.

Es handelt sich hierbei um einen durchaus gelungenen Film, der jedoch nicht so recht weiß, was für ein Film er selbst eigentlich sein möchte. Zu wenig Intensität für eine reine Kriegsgeschichte, zu viel Lebendigkeit für ein Drama, zu ernst für eine Komödie möchten die Macher um die Regisseure Glenn Ficarra und John Requa wohl zu viel und schaffen dabei eine recht ungewürzte Genre-Suppe. Obwohl die Zutaten gut gewählt sind, wollen sie miteinander nicht so richtig schmecken.

Tina Fey haucht der Figur viel Leben ein und gibt einem das Gefühl, dass selbst in Kabul alltägliche Dinge wie Freundschaft, Beziehungen oder das kleine Geschäft genauso relevant sind wie im Westen. Und auch Martin Freeman mimt den schottischen Kriegsfotografen Ian MacKelpie glaubwürdig, sodass wir nicht das Gefühl haben, es würde ein Hobbit in den Krieg ziehen. Aber die Chemie zwischen den beiden will trotz der bombigen Stimmung einfach nicht so recht zünden. Und auch Kims neue BFF, die australische Kriegskorrespondentin Tanya Vanderpeol (Margot Robbie) könnte aufgrund der zahlreich bedienten Stereotypen gut eine von Mattel entwickelte Kriegsbarbie sein.

Dies alles spielt sich an einem Schauplatz ab, der schon für einen Blue-Meth-Wohnwagen (Breaking Bad), apokalyptische Dystopien (Book of Eli) und zahlreiche Weltraumabenteuer (Armageddon, Contact, Cowboys & Aliens) die Kulisse bot und der für uns spätestens seit Jarhead – Willkommen in Dreck das Gesicht des Nahen Ostens ist: New Mexico. Dennoch erscheint die Szenerie glaubhaft, auch durch die schauspielerischen Leistungen der Nebendarsteller und Statisten. Besonders die Problematik eines vergessenen Krieges und das Aufeinanderprallen verschiedener Kulturen findet hier eine charmant-menschliche Bühne, geschmückt mit einzigartigem Humor und der ein oder anderen IKEA-Taschen-farbenen Burka. Lediglich der von Nick Urata entwickelte Score lässt Zweifel aufkommen, ob die krasse Diskrepanz zwischen Kriegsgeschichten-Atmosphäre und einer musikalischen Untermalung mit Mariah Careys Weltschmerz-Liedern oder dem Chipmunk-Song einen künstlerischen oder gewollt komischen Wert haben soll – oder schlicht und ergreifend nicht funktioniert.

Alles in allem lohnt sich bei Whiskey Tango Foxtrot ein Kinobesuch in jedem Fall, um auf unterhaltsame Art in die Welt der Kriegskorrespondenten einzutauchen. Denn der Film zeigt uns, dass selbst unter so unwirtlichen Bedingungen ganz normale Menschen auch ganz normale Probleme haben und diese Journalisten, auch wenn sie die großen Geschichten erzählen und vielen Gefahren ausgesetzt sind, auch darum kämpfen, ihre eigene Menschlichkeit nicht zu verlieren – und auch ihren Humor.

Whiskey Tango Foxtrot

USA 2016, 112 Minuten

Regie: John Requa, Glenn Ficarra; Darsteller: Tina Fey, Margot Robbie, Martin Freeman, Alfred Molina, Billy Bob Thornton

Kinostart: 2. Juni 2016


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