Am Schauspiel Leipzig reißt „Der schlaue Urfin“ die Zuschauer in seinen Bann
18:04 Uhr. Die Theaterbesucher haben ihre Plätze eingenommen und warten auf den Beginn von „Der schlaue Urfin und seine Holzsoldaten“. Als eine Frau durch einen Seiteneingang die Bühne betritt und verkündet, dass eine Schauspielerin sich verletzt hat und für sie die Souffleuse in der Rolle als Krähe einspringt, beginnt es zu Murmeln im Großen Saal. Doch viel Zeit zum Austausch bleibt nicht, denn gleich darauf öffnet sich der Vorhang und das Stück beginnt mit einem Traum von Elli, der Protagonistin des Stücks.
Als Vorlage für das Stück dient das zweite Buch aus der Smaragenstadt-Buchreihe von Alexander Wolkow, die vor allem den in der DDR sozialisierten Eltern der jungen Theaterbesucher bestens bekannt sein dürfte. Nachdem sich das Schauspielhaus bereits erfolgreich an dem ersten Buch „Der Zauberer der Smaragdenstadt“ versucht hat, kommt nun also auch das zweite Buch auf die Bühne. Im zweiten Teil übernehmen Urfin, seine zum Leben erweckten Holzsoldaten und die Eule Guamokolatokint die Kontrolle über das Zauberland. Ihnen Gegenüber stehen Elli und ihre merkwürdigen Freunde aus der magischen Welt. Was nun folgt, kann als typische Heldenreise zusammengefasst werden.
Während Wolkow sich in seinem ersten Buch stark an „Der Zauberer von Oz“ orientiert, geht er mit seinen weiteren Büchern völlig neue Wege. Auch Regisseur Stephan Beer und Bühnenbildner Georg Burger haben sich einiges einfallen lassen. Während der gesamten Spielzeit von 1h 45 min sind auf der Bühne in der hinteren Ecke die beiden Musiker Jan Beyer und Jörg Wockenfuß zu sehen und geben dem Stück eine musikalische Untermalung. Diese Livemusik ist auch notwendig, denn das Stück hat Musicalcharakter. Besonders imposant wirkt dies, wenn Urfin zusammen mit seinen zum Leben erweckten Holzsoldaten auftritt. Gut durchchoreografiert trommeln diese mit ihren durch die Luft wirbelnden Holzschwertern auf den Boden, so dass eine furchterregende Kulisse entsteht. Riesige, bunt glitzernde Objekte ragen von der Decke und dem Boden und sorgen für ein durchgängiges magisch-mystisches Ambiente. Dazu passend sind auch die Kostüme, welche die eine oder andere Besonderheit aufweisen. Erwähnt sei hierbei etwa die Eule Guamokolatokint. Diese rollt oder vielmehr schwebt das gesamte Stück über auf einem Hoverboard durch die Smaragdenstadt, was an sich schon eine respektable Leistung ist.
Inhaltlich offenbart die Inszenierung ein paar wenige Schwächen. So wirken Teile der Handlung enorm gerafft und die Dialoge dementsprechend platt und lieblos. Darüber hinweg trösten die fabelhaft umgesetzten Figuren. Durch ihre Eigenheiten gibt es viel zu lachen. „Frauvorragend“ würde dazu der dreimalweise Scheuch sagen, eine mit Gehirn ausgestattete Vogelscheuche. Gespielt von Thomas Braungardt, sorgt die Figur für die meisten Lachen am Abend, was vor allem an der urkomischen Satzstruktur und seinen Wortneuschöpfungen liegt.
Die Ambivalenz des Stückes ist auch seine Stärke. Wer nicht so sehr auf Spaß aus ist, kann in den knapp zwei Stunden auch auf Referenzsuche gehen und so einige Vergleiche zur neueren Geschichte finden. Hierbei sind der Trump-ähnliche Auftritt von Urfin zu erwähnen oder auch der Auftritt Ruf Bilan. Als dieser von Elli und ihren Freunden als Saboteur enttarnt wird, kommt von ihm ein in bester Mielke-Manier vorgetragenes: „Ich liebe euch doch alle!“.
Viel zu oft heißt es „ein Spaß für Groß und Klein“, doch nur selten trifft es tatsächlich so gut zu wie bei dieser Inszenierung.
20:07. Das Stück endet mit einem zugegeben etwas kitschigen Song („Wir sind Freunde für das ganze Leben…“). Bei den anschließenden Ovationen gibt es einen extra Applaus für die eingesprungene Souffleuse, welchen sie sich verdient hat.
Der Text entstand im Seminar „Lesekompetenz, Lesesozialisation und literarisches Lernen“ der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig im Wintersemester 2016/2017.
Der schlaue Urfin und seine Holzsoldaten
Regie: Stephan Beer
Bühnenbild: Georg Burger
Kostüme: Kristina Böcher
Choreographie: Sibylle Uttikal
Musik: Jan S. Beyer & Jörg Wockenfuß
Dramaturgie: Matthias Huber
Licht: Veit-Rüdiger Griess
Mit: Tilo Krügel, Sophie Hottinger , Alina-Katharin Heipe, Thomas Braungardt, Adreas Dyszewski, Anna Keil, Hartmut Neuber, Roman Kamonik, Nina Siewert, David Hörning, Ferdinand Lehmann, Elias Popp, Jonas Koch, Max Fischer
Schauspiel Leipzig, Große Bühne, Premiere: 26. November 2016, Weitere Aufführung am 17. April 2017 um 15 Uhr.
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