Was es ist

Jens Friebe über Pop, Politik und das deutsche Kino im Interview

Vor einem halben Jahr wurde Jens Friebes erstes Solo-Album, Vorher Nachher Bilder, veröffentlicht. Damit tourt er derzeit durch die Clubs und spielt dort seine manchmal zerbrechlichen, manchmal hymnenhaften, immer ungewöhnlich strahlenden Popsongs. Am Tag nach seinem Konzert in der Leipziger Moritzbastei traf Redakteurin Friederike Haupt Jens Friebe zum Gespräch.

LEIPZIG-ALMANACH: Schönes Konzert gestern. Warst du zufrieden mit dem Leipziger Publikum oder eher enttäuscht?

JENS FRIEBE: Nein, gar nicht enttäuscht. Ich kenne das Leipziger Publikum schon von anderen Auftritten und habe es immer sehr gemocht. Letztes Jahr habe ich ja hier mal ohne Band gespielt, nur mit Klavier und Gitarre. Da ist mir vor allem aufgefallen, wie ruhig es während der Stücke war. Normaler Weise wird ja immer recht laut gequatscht, auch wenn die Leute es gut finden.
Allerdings hat mich etwas gewundert, dass bei meiner Zugabe „Come back from San Francisco“ von den Magnetic Fields so viele gelacht haben. Eigentlich habe ich das nicht als Comedy-Stück begriffen. Ich dachte sogar kurz, ich hätte die Hose offen oder so.

Auch auf die Gefahr hin, dass du die Frage schon nicht mehr hören kannst…

Warte mal. Ich kann dir sagen, was ich nicht mehr hören kann: „Wie bist du zur Musik gekommen?“, „Beschreib mal in zwei Sätzen deinen Stil!“ und so was wie „Ich sag jetzt mal ein paar Begriffe, und du sagst mir, was dir spontan dazu einfällt“. Wolltest du so was fragen?

Hatte ich nicht vor.

Sehr gut. Sonst kannst du eigentlich alles fragen.

Okay. Dein vieldiskutiertes Lied „Deutsches Kino“, in dem du das deutsche Kino als „das schlechteste der Welt“ bezeichnest, ist ja schon ein bisschen älter. Denkst du, dass sich inzwischen etwas verändert hat?

Als ich das geschrieben hab‘, liefen immer diese Til-Schweiger-Komödien. Es ist jetzt schon nicht mehr so einheitlich, wofür das deutsche Kino steht. Ich würde das Lied auch heute nicht mehr so schreiben, aber trotzdem: Das Typische am deutschen Kino ist dieses abgefeilte Mittelmaß, dieses totale Durchschnittsdeppenhafte oder aber so ’ne ganz beschissene negative Romantik. Zum Beispiel bei Was nützt die Liebe in Gedanken: Diese Dreiecksgeschichte mit dem Selbstmordbündnis ist ja ein authentischer Fall aus dem Berlin der 30er, der auch bei Nabokov vorkommt, in Die Gabe. Und was bei Nabokov als Dämlichkeit dargestellt wird, wird im Film als so ein großer, romantischer Ansatz glorifiziert: „Ich muss sterben für die Liebe!“ – total blöd.
Einen liebevollen Film fand ich zum Beispiel Kroko, und bezeichnender Weise wird der ja dann links liegengelassen in der ganzen Rezeption. Insofern ist die Misere des deutschen Kinos auch eine Misere der deutschen Rezeption.

Das Kino als Gradmesser für die Lage der Nation?

Naja, daran, dass kleine, liebevolle Filme, die sich menschlich interessant mit etwas beschäftigen, weitgehend ignoriert werden und solche wie Das Wunder von Bern oder Der Untergang wahnsinnig hochstilisiert werden, kann man natürlich einiges ablesen.

Was meinst du, woran das liegt, dass solche Filme in Deutschland so beliebt sind?

Einfach ist das nicht zu erklären. Es ist diese Mischung aus Minderwertigkeitskomplex und Größenwahn. Die Deutschen sagen nicht: „Es gibt einfach mal wieder ein schönen Film“, sondern wollen beweisen: „Wir sind wieder lustig“ oder „Wir haben wieder ein entspanntes Verhältnis zu uns selbst“.

Hat sich wirklich mal ein Bookingagent geweigert, dich unter Vertrag zu nehmen wegen dieses Liedes und deiner Haltung zum deutschen Kino?

Ja, das war echt so. Aber ich will die politische Relevanz dieses Liedes auch nicht größer machen, als sie ist. Als ich das Lied geschrieben hab, war das mit der deutschen Komödie auch noch eher Konsens als heute…

naja, (T)Raumschiff Surprise…

Ja okay, das hab ich jetzt gar nicht bedacht, dass es ja auch so unglaublich schlimm sein kann. Es gibt ja überall irgendwelche Filme, die das Thema Homosexualität witzig behandeln und Karikaturen von Schwulen zeichnen. In englischen Darstellungen von Schwulen, zum Beispiel bei Monty Python, schwingt immer noch dieses Bild von so ’nem kultivierten Aristokraten mit, was dann eher eine Klassenkarikatur ist. Aber bei (T)Raumschiff Surprise geht es ja wirklich nur noch um dieses Triebgesteuerte, Alberne, Weibische, Debile. Ich finde es auch nicht nachvollziehbar, dass viele Schwule dann, um nicht die beleidigte Leberwurst darzustellen, sagen, sie finden das auch lustig. Wirklich, das ist der dümmste, schwulenfeindlichste Scheiß, den man sich vorstellen kann. Dass sich der dieser Beliebtheit erfreut, finde ich grauenhaft.

Spielst du bei deinen Konzerten dann auch darum mit Schwulen-Klischees, um so etwas wiederum zu karikieren?

Nicht um sowas zu karikieren, sondern um dem etwas entgegenzusetzen. Wenn woanders das Bunte und Zärtliche als etwas dargestellt wird, das einen Mann erniedrigt und lächerlich macht, soll es bei mir zu einer Zutat für Eleganz und Würde werden.

In deinem Song „Wenn man euch die Geräte zeigt“ sprichst du von „wir“ und „ihr“. Wen meinst du damit?

Das sind ich und meine Freunde beziehungsweise ich und so ’ne größere visiönäre Einheit, ein halluziniertes Kollektiv. Man kann das Lied eigentlich als eine resignierte Version von „Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein“ (ein Lied von Tocotronic, F. H.) verstehen. Es ist dieses „Ich will mich auf euch verlassen können“, im Grunde nur umgedreht.

In deinem „Lied ohne Botschaft“ geht’s konkret um Botschaften und Aussagen von Liedern. Ist es als Musiker immer möglich, zwischen Oberflächlichkeit und Überladenheit eine Botschaft zu vermitteln?

Das „Lied ohne Botschaft“, wo eine Botschaft quasi eingefordert wird, ist vielleicht am ehesten ein Lied, wo die Botschaft im Hintergrund steht. Ist auch eine Art von Dialektik.

Es wird ja derzeit ein Gegensatz herbeibeschworen zwischen den Pop-Linken und denen mit einem „neuen Nationalbewusstsein“. Würdest du dich selbst einem der Lager zuordnen?

Ich find es schwierig, all diese Leute in eine Schublade zu stecken. Ich hab‘ aber auch ein Problem damit, die Diskussion ernst zu nehmen, weil ich den Leuten unterstelle, dass das sehr kalkuliert ist mit dem Nationalbewusstsein, dass die eigentlich gar nicht so’n wahnsinniges Anliegen haben.
Die wollen sich Aufmerksamkeit ergaunern, wie auch Florian Illies in seinen Büchern, wo er immer wieder von der Dauerpräsentation der Schande spricht und sagt: „Wir mussten im Geschichtsunterricht immer nur übers Dritte Reich hören“. Als ob ihn das irgendwie in seiner Lebensqualität eingeschränkt hätte!
Aber natürlich muss man auf solche kalkulierten Tabuverletzungen irgendwie reagieren, wie auch zum Beispiel auf das Video von Heppner. Aber wenn dann angefangen wird, auf so harmlose Leute wie Virginia Jetzt einzudreschen, finde ich das nicht nur paranoid, sondern auch schädlich, weil es die ganze unselige Diskussion völlig unnötig am Laufen hält.

Im US-Wahlkampf setzen sich Popmusiker massiv für John Kerry und gegen Präsident Bush ein. Käme so etwas für dich auch in Frage bei vergleichbaren Zuständen in Deutschland?

Das ist sehr schwierig zu vergleichen. Als amerikanischer Musiker würde ich mich aber nicht für Kerry einspannen lassen, der sich im Wahlkampf ja als Vietnam-Veteran feiern lässt. Die Musiker, die so was machen, sind ja solche, die sich ansonsten kaum politisch äußern. Jello Biafra etwa würde sich wohl niemals für so eine Apologie des „kleineren Übels“ hergeben.

Kann Pop denn etwas leisten, das über Unterhaltung hinausgeht?

Man sollte sich da nicht so große Illusionen machen von wegen missionarischem Potential. Dazu ist Pop einfach zu wenig argumentativ, und selbst die Macht von Argumenten ist ja recht begrenzt. Meist läuft es doch eher auf preaching to the converted hinaus, was ich aber als Einwand gegen Statements in der Kunst nie habe gelten lassen. Denn wenn Leute, die ähnlich denken wie man selbst, sich durch ein Lied bestätigt und nicht mehr so alleine fühlen, finde ich das alles andere als sinnlos.

Als nächstes planst du ja ein Konzeptalbum zum Thema Katastrophen…

Ja, ich hab‘ relativ viele neue Lieder, die da lose reinspielen, insofern könnte man’s Konzeptalbum nennen. Und die Katastrophe ist ja allgegenwärtig im medialen Alltag. Außerdem habe ich festgestellt, dass Konzeptalben chronisch überbewertet werden, und das wollte ich auch mal ausprobieren. Gibt’s schon nen Titel?

Der Arbeitstitel ist „Finden und retten“. Könnte später aber auch anders heißen.

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