Abriss: Identitäten

Eine Ausstellung in der ehemaligen Unibuchhandlung zeigt eben nicht „einunddasselbe“

Grimmaische Str. 30, ehemalige Unibuchhandlung: Obwohl sich unsereins inzwischen an den Anblick der leeren Räumlichkeiten gewöhnt hatte, ist es eine nette Idee, gerade hier eine Ausstellung zu präsentieren. Während man auf den Abriss wartet, kann sich der Blick auf das Veränderliche, Subjektive, Ephemere richten. Innerhalb eines knappen Zeitfensters von nur fünf Tagen präsentieren achtzehn junge KünstlerInnen Arbeiten, die von den Organisatoren der Ausstellung – den StudentInnenräten der Leipziger Universität und HGB – unter dem Titel „einunddasselbe. Positionen aktueller Identitätsbefragung“ zusammengefasst wurden.

Die Qualität desselben liegt, wenn überhaupt irgendwo, in seiner tautologisch anmutenden Unterbestimmtheit. Die Frage nach der Positionierung ist immer auch eine Identitätsfrage und vice versa. Der Großteil der Arbeiten wirkt dabei ruhig und verhalten, auf expressive Elemente wird weitestgehend verzichtet. Dominant ist die Hinwendung zu Malerei und Photographie – Film und Installation sind eher randständige Phänomene. Vorherrschend scheint die Atmosphäre des Privaten. Problematisierungen von (gar eigener) Subjektivität oder gesellschaftlichen Zusammenhängen sind Ausnahmen. Die Fragen nach der möglicherweise que(e)ren Repräsentation des Marginalisierten und von politischen Zusammenhängen sind eben dies – marginal.

Eine Ausstellung, deren Konzept durch Abwesenheit glänzt, ist umso mehr an die Qualität einzelner Arbeiten gebunden. Die Konstruktion gemeinsamer, größerer Linien erscheint ebenso halt- wie grundlos. So schweift der Blick, die Räume der ehemaligen Unibuchhandlung befördern dies, flaneurhaft zwischen den Exponaten, während das Protokoll seinen längeren Aufenthalten gilt. In diesem stellen sich sodann die Ausnahmen zu der oben beschriebenen Regel ein:

Die interessantesten und produktivsten Entwürfe verbinden nämlich die Frage nach der sozialen Identität mit jener nach der Position der Künstlerin, als explizite Untersuchung von Kunstidentität/Identitätskunst. Dass dabei keine Betroffenheitsgesten entstehen müssen, zeigen Elena Kozlova und Sandra Schubert, deren Arbeiten als Glückstreffer der Ausstellung gelten können. Kozlovas „significant others“ zeigt fünf Pinsel in einem Glaskasten. Ihre Borsten sind durch Zöpfe ersetzt, welche stereotyper weiblicher Körperinszenierung entsprechen. Im Fetisch-Zitat entfaltet sich die Kunstgeschichte der Weiblichkeit als einer Produzierten. „Dicker als Wasser“ variiert das Thema im Medium der Videoinstallation. Langsam färbt sich eine weiße Bluse rot. Der Körper darunter ist weitestgehend still gestellt, der Bildraum schneidet den Körper zurecht.

Sandra Schuberts Photographien wirken auf den ersten Blick wie eine Zusammenstellung von Naturaufnahmen und Selbstportraits. Handelt es sich bei letzteren um explizit gemachte Posen, haben erstere tendenziell einen natur-romantischen Anklang. Unterschiedliche Formate und Rahmungen verteilen den Blick und schaffen die Möglichkeit, diesseits linearer Erzählperspektiven zu lesen. Auffällig: Der Einsatz von Schwarz-weiß-Fotografie, umgeben von Bildern kontrastreicher Farbigkeit. Schuberts Konstruktionen stellen sich als schließende Mikrokosmen der Theatralität dar. An einen Theatercoup erinnernd, sind selbst die Naturaufnahmen zurückgenommen in den Bereich expliziter Inszenierung. So tauchen einige von diesen in den Selbstporträts als gerahmte Bilder wieder auf: Die Welt ist ein Spiegelkabinett, ein Lesebuch, welches zum vergleichenden Blättern einlädt. Schuberts Fotografie hat Ähnlichkeit mit einem Bühnenapparat, welcher das Außen schon längst ins Innen geholt hat. Darin liegt ihr barockes Element. Wer in ihnen die Künstlerin sucht, wird bemerken, dass diese bereits ihre Spuren verwischt hat.

Die Malerei Kathleen Busies probt das Spiel mit der weiblichen Pose und kontrastiert diese mittels der Unebenheit des Bildkörpers. Bei Moritz Grünkes „Explosion In The Sky I & II“ handelt es sich um Skizzen zum Weltuntergang im Medium der technischen Zeichnung. Dünn skizzierte architektonische Komplexe werden in ihr heimgesucht von Destruktion und Bedrohung. Die Planbarkeit der Katastrophe bildet ihren Horizont. In „Weißwasser_Süd“ präsentiert Marcel Noack fotografierte urbane Tristesse in Gestalt randständiger Plattenbauten. Durch Porträtaufnahmen Einheimischer ergänzt, entwickelt er, teilweise an die casual-gehaltene Photographie Wolfgang Tillmanscher Provenienz erinnernd, soziale Atmosphäre in matter Farbigkeit. Am Himmel herrschen die Grauschleier vor. Dann führt Louis Volkmanns Fotoserie „Faces/fassades“ die sie Betrachtenden durch die innerstädtische Werbe- und Schaufensterwelt. In dieser entdeckt er hoch-ästhetisierte Formen des Körpers, die zeitweise an umgeschmolzenen „Riefenstahl“ erinnern.

Im Gedächtnis bleibt auch Ingo Schillers amüsantes Waschzettel-Bonmot, mit welchem wir schließen: „Die Welt dreht und verändert sich. Ich mich auch. Ätsch!“

einunddasselbe
Positionen aktueller Identitätsbefragung
Ausstellung vom 3. bis 7. Mai
Ehemalige Unibuchhandlung

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