Kasperl aus dem Sack

Christoph Bochdansky zeigt mit „Kasperl, dieser Mann ist eine Fälschung“ Konfliktbewältigung à la Kasperletheater

Wer ist wer? Christoph Bochdansky und Kasperl (Foto: Westflügel)

Ist ihm das Puppenspiel etwa zu sehr zu Kopf gestiegen? Denkt Christoph Bochdansky im Ernst, er sei der Kasper? In seinem neuen Stück Kasperl, dieser Mann ist eine Fälschung behauptet er dies zumindest und lässt keine Widerrede gelten. Argumente dafür hat er allemal, nun will er seine Identität beweisen. Aber das bereitet ihm so einige Schwierigkeiten, denn er will nicht vor das Publikum treten aus Angst es könnte ihn doof finden. Also erscheint Bochdansky eingehüllt in einen großen Sack. Nur unter gewissen Bedingungen will er herauskommen, so die Ankündigung. „Ohhh“ und „Ahhh“ sollen die Leute machen, und lachen, ihn witzig finden. Denn er ist der Kasperl, und der ist nun mal ein heiteres Kerlchen. Von Ohhh- und Ahhh-Rufen begleitet verlässt Bochdansky schließlich sein Versteck, was dann folgt ist so durchzogen von Witz und augenzwinkernder Ironie, dass der Zuschauer aus dem Lachen nicht mehr herauskommt.

Da steht er also, dieser großgewachsene Mann mit dem österreichischen Akzent und will der Kasper sein. Der Held so mancher Kindheit. Er redet vom Kasperbeweis wie von einem Gottesbeweis, hat unumstößliche Indizien für seine eigene Existenz. Erstens nämlich: er ist da. Und wenn er da ist und sagt, er sei der Kasperl, dann muss es doch auch so sein. Oder nicht? Zweitens: tatatataaa – ein Krokodil, welches es ganz nach Kaspermanier zu erschlagen gilt. Hinter der Bühne kommt er hervor, der vermeintliche Kasper und an seine Ferse ist ein mannsgroßes Krokodil geheftet. Dies sorgt für so manchen Lacher, verschwindet Bochdansky doch während eines spektakulären Kampfes immer tiefer in dem riesigen Schlund des Ungeheuers. Schließlich, wie sollte es anders sein, erschlägt er es und gerät in Raserei. Immer weiter prügelt er mit seiner Klatsche auf das tote Tier ein und schmettert ihm Vorwürfe an den Kopf. Er hat also bewiesen, dass er der echte Kasperl ist, davon ist Bochdansky fest überzeugt. Wer sonst erschlägt denn ein Krokodil so gekonnt?

Das Stück, welches unter der Regie von Christoph Werner entstanden ist, nimmt auf eine besonders eindringliche Art Bezug zum realen Leben und bringt das Publikum auf diese Weise nicht nur dazu, über den Kasper zu lachen. Auch über sich selbst, über seinen eigenen Umgang mit Problemen kann herzlich gelacht und gleichzeitig nachgedacht werden. Ganz wunderbar zeigt Bochdansky, wie ein neuer Konflikt entsteht, wenngleich Streitereien so gar nicht in das schwarzweiß-malerische Kasperletheater passen. Zwei Konflikte – wurmartige Handpuppen – tauchen auf. Der eine will nicht mit dem anderen reden, und wie das so ist mit „unausgesprochenen“ Konflikten: Sie vermehren sich. Kaum hat man sich versehen, steht auch schon eine weitere dieser Figuren auf der Bühne, viel kleiner als die anderen beiden. Es ist sozusagen deren Baby. Konflikte aber kann der Kasperl gar nicht leiden. Erschlagen will er sie am liebsten alle, dann kann die Oma ein schönes Stück Kuchen backen und alle singen gemeinsam ein Lied.

Was aus Kasperl, dieser Mann ist eine Fälschung spricht, ist die Sehnsucht nach der Einfachheit. Eine Sehnsucht danach, Probleme unkompliziert lösen zu können, in einer dualistischen Welt, in der immer klar ist, was das Gute und was das Böse, das Richtige und das Falsche, ist. Ganz im Gegensatz zu der sich immer weiter differenzierenden Alltagswirklichkeit, die uns umgibt. Ist das Stück der Versuch, Antworten zu finden, oder aber ein Fliehen aus der Realität? Bochdansky erschafft eine Figur, welche den Problemen nur mit einer Weltflucht begegnen kann und begibt sich so auf eine Reise durch die scheinbar heile Welt des Kasperletheaters. Dass aber auch diese Welt für ihn nicht funktioniert, zeigt sich schon in dem Moment, als Gretel den selbsternannten Kasper nicht erkennt. Als dann auch noch die gesamte Puppenbühne in sich zusammenbricht, will auch Bochdansky nicht mal mehr zurück in den Sack, aus dem er gekommen ist. Er verlässt den Raum und lässt den Zuschauer erheitert und nachdenklich zurück. Über das Gesehene zu urteilen, liegt nun bei jedem selbst.

Kasperl, dieser Mann ist eine Fälschung

R: Christoph Werner

Mit: Christoph Bochdansky

Gastspiel: 19. Oktober 2011, Lindenfels Westflügel


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