Autopsie der Schlangengrube

Isegawa erzählt von den Verlockungen der Korruption

Uganda während der Schreckensherrschaft Idi Amins Mitte der 1970er Jahre: Denunziation, Mord, Vergewaltigungen, Verhaftungen, Gefängnisaufenthalte ohne Gerichtsverfahren. Eckpunkte, um die sich der Alltag der Bevölkerung organisierte. Die Ereignisse dieser Zeit waren bislang allenfalls einem kleinen Kreis von Afrika-Kennern bekannt. Moses Isegawa hat sich die ehrgeizige Aufgabe gestellt, die Geschichte und Tragik des Teils von Afrika, den Churchill einst „die Schweiz Afrikas nannte“, vor dem Vergessen zu bewahren.

Schon mit seinem literarischen Debüt hat Moses Isegawa im Literaturbetrieb einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Isegawa, 1964 in Uganda geboren, studierte einige Jahre an einem Seminar für katholische Priester und arbeitete danach mehrere Jahre als Lehrer, bevor er 1990 nach Europa kam, wo er seitdem in Amsterdam lebt. Vor zwei Jahren veröffentlichte er sein literarisches Erstlingswerk Abessinische Chronik. Allein der Titel ist irreführend. Denn den Leser erwartet keine Geschichte um Liebe und Verrat am abessinischen Königshof, sondern die Lebensgeschichte eines Afrikaners, der trotz seines jungen Alters einen sagenhaften Schatz an Geschichten zu erzählen weiß. Gerade diese persönlichen Lebensgeschichten sind es, die in der afrikanischen Literatur immer noch zu den seltenen Erscheinungen zählen, wenn man von der Triologie Wole Soyinkas (Aké, Isara und Ibadan) einmal absieht.

Die Gräueltaten der Regimes von Idi Amin und Milton Obote, der Sieg der Guerilla-Bewegung, angeführt vom heutigen Präsidenten Yoweri Museveni, waren bereits Gegenstand der beiden letzten Kapitel von Abessinische Chronik. Mit seinem neuen Buch kehrt Isegawa an diesen Schauplatz zurück. Am Lebensweg der Hauptfigur Bat Katanga beschreibt er mit klaren, prägnanten Worten die Absurdität von Diktatur und Gewalt und den Zerfall staatlicher Strukturen in Uganda.

Nach erfolgreichem Studium in Cambridge kehrt Katanga nach Uganda zurück, um die Früchte seines Studiums zu ernten und Karriere zu machen. Er erhält eine Stelle im Energie- und Verkehrsministerium, Nobelkarosse und Villa am Victoria-See inklusive. Dem vorgesetzten General ist Katangas effiziente Arbeit nicht geheuer. Die aparte Geheimagentin Victoria wird auf Katanga angesetzt, verliebt sich ihn und bekommt ein Kind von ihm. Kurz darauf trifft Katanga Babit, die er heiratet. Von Eifersucht getrieben spinnt Victoria eine Intrige, infolge derer der Hauptheld für mehrere Monate inhaftiert wird. Nur auf Intervention eines Studienfreundes aus England kommt er frei. Gebrochen wird Katanga, als seine Frau Babit auf Anordnung von Victoria auf grausame Weise umgebracht wird.

Isegawa schildert, wie der Einzelne den Verlockungen eines korrupten Systems erliegen kann. Ihm gelingt eine treffende Beschreibung afrikanischer politischer Kultur, die – trotz einiger Ausnahmen – den Staat als einen Kuchen versteht, von dem es gilt, ein möglichst großes Stück abzuschneiden. „Die schönste Stadt der Welt“, schwärmte der General. „Wissen Sie, warum? Weil ein Fünftel davon mir gehört.“ Diese Einstellung, die par exellence vom Noch-Präsidenten Zimbabwes Robert Mugabe verkörpert wird, bezeichnet Isegawa als Schlangengrube. Nun könnte man Isegawa vorwerfen, dass es leicht ist, vom heimischen Amsterdam aus zu räsonieren. Doch scheint es wichtiger, dass afrikanische Autoren überhaupt ihre Stimme gegen die Missstände in ihren Ländern erheben.

Isegawas moralischer Anspruch stellt das Buch Die Schlangengrube in eine Reihe mit Klassikern der afrikanischen Literatur, wie Chinua Achebes No longer at ease und Ayi Kwei Armahs The Beautyful Ones Are Not Yet Born. Es ist dem Buch zu wünschen, dass es eine baldige englische Übersetzung erfährt, damit es auch in Afrika und besonders in Uganda gelesen werden kann.

Moses Isegawa: Die Schlangengrube
Aus dem Niederländischen von Barbara Heller
Karl Blessing Verlag: München 2002
320 Seiten, 21,90 €

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